Montag, 27. Februar 2017
Im Hintergrund
Noah:
Haylie führte ihr Leben weiter, wie bisher. Wir hatten kaum noch Kontakt und ich wäre ein Lügner würde ich behaupten, dass es spurlos an mir vorbei ging.
Doch ich hatte noch eine Aufgabe zu erfüllen und das wusste ich. Niklas war allgegenwertig. Er existierte, denn ich hatte ihn auch gesehen. Und er war ein Teil von Haylie, ob sie es wollte oder nicht. Anscheinend versuchte sie es zu ignorieren aber ich recherchierte weiter.
Sowas passierte nicht einfach so und sowas hörte auch nicht einfach so wieder auf.
Die letzten Monate verbrachte ich damit, mich mit Dana zusammen zu setzen und die Puzzleteile aneinander zu reihen. Es musste etwas geben, was wir übersehen hatten.
Mittlerweile hatten wir einige Informationen zusammen bekommen.
Wir gingen davon aus, dass Niklas seit ihrer Geburt an ihr klebte und darauf wartete, dass sie ihm Zugang gewährte.
Die erste Möglichkeit mit ihr zu kommunizieren gaben wir ihm, als wir das Ritual mit dem Ouija-Brett gemacht hatten. Dadurch hatten wir ihm eine Tür geöffnet. Nun, jetzt halten uns womöglich viele für verrückt und denken, wir hätten Drogen genommen. Doch man braucht schon einen gewissen Glauben, um sich wirklich auf dieses Thema einzulassen.
Also sind wir zu dem Priester gegangen, bei dem Haylie das letzte Mal gewesen war, um über ihre Probleme zu reden.
Es war ein regnerischer Vormittag, als Dana und ich vor seinem Haus parkten. Dana wollte mit der Sache schon längst abgeschlossen haben, doch mich ließ diese Geschichte nicht kalt. Schließlich wollte ich, dass Haylie auch irgendwann ihren Frieden fand.
Energisch ging ich auf die Tür zu und klingelte, während Dana mir zögernd folgte.
Die Tür wurde relativ schnell geöffnet und ein rothaariger Mann stand im Türrahmen. Er hatte muskulöse Oberarme und sah beim besten Willen nicht aus, wie ein katholischer Priester. Er sah mich fragend an, weshalb ich ihm die Situation so schnell wie möglich erklärte.
Sofort bat er uns ins Haus und wies uns an, wir sollen uns an den Esstisch im Wohnzimmer setzen. Der Priester verschwand kurz in der Küche und kam mit zwei Gläsern Wasser zurück, die er uns reichte.
Er setzte sich gegenüber von uns auf einen Holzstuhl. „Es geht also um Haylie…“, fing er an und lehnte sich nach vorn. Dana schaute mich an, also ergriff ich das Wort. „Wir wissen, dass sie bei ihnen war, um eine Botschaft Gottes zu bekommen, weil sie diese Gabe haben“, bemerkte ich trocken. Diese ganzen Themen rund um Dämonen und Gaben machten mir auch Kopfschmerzen. „Das stimmt. Ich habe diese Gabe aber setze sie nicht bei jedem ein. Offiziell bin ich kein Priester mehr. Und was ist jetzt mit Haylie?“, wollte der Ex-Priester wissen und schaute immer neugieriger. Irgendetwas in seinem Blick verriet mir, dass er mehr wusste. „Welche Botschaft hatte Gott für Haylie, als sie hier war?“, schnitt Dana mir das Wort ab. Der Priester (ob er nun einer war, oder nicht) veränderte seinen Blick…es wurde ernst. „Normalerweise dürfte ich euch das nicht sagen aber hier geht es um mehr. Ich konnte Gott nicht empfangen…das ist mir noch nie zuvor passiert. Haylie konnte meine Worte nicht hören…stattdessen konnte sie etwas sehen. Eine große, dunkle Gestalt. Diese Gestalt war mächtiger, als meine Gabe und hat somit alles blockiert.“
Ich hörte Dana neben mir schlucken. „Glauben sie Haylie?“, hakte ich nach. „Ich habe diese Gestalt gespürt und in meinen Träumen gesehen. Etwas klebt an ihr“, bestätigte der Priester meine These. „Ist etwas mit ihr passiert?“
Dana und ich warfen uns ernste Blicke zu. „Nein…also, sie hat Träume. Manchmal ist sie ziemlich komisch aber sie kann ein normales Leben führen“, beantwortete Dana die Frage. „Vielleicht ist es nicht böse“, warf ich ein. „Etwas Gutes würde meine Gabe nicht blockieren“, unterbrach mich der Priester und wurde plötzlich sehr nachdenklich. „Komisch…ein böser Geist oder Dämon würde sich in der Zeitspanne deutlicher bemerkbar machen…es muss etwas sein, was eingeladen werden möchte. Sowas gibt es, ist aber sehr selten und kommt nur in speziellen Situationen vor.“
„In welchen Situationen?“, fragte ich. „Nun, zum einen muss das Mädchen unbefleckt und gläubig sein und wird im Hass oder Leid geboren. Solche Seelen sind gleichzeitig rein und sehr belastet. Damit spielen gewisse Wesen gerne…aber heutzutage findet man sowas selten und die meisten Menschen glauben an nichts mehr“, erklärte der Priester und verschränkte seine Finger ineinander. „Das stimmt doch nicht mit Haylie überein…oder?“
Ich warf wieder einen Blick zu Dana, die kreidebleich das Wort „doch“ formte.
Die Augen des Priesters weiteten sich. „Was können wir tun?“, wollte ich dringend wissen. Es folgte eine längere Pause, in der man nur den Wind von draußen hören konnte. „Sie beobachten…wir müssen beobachten ob sie sich verändert“, meinte der Priester schließlich. Dana erhob sich und lief auf und ab. Das Wohnzimmer war riesig und es gab eine große Glasscheibe, durch die man in den Garten gucken konnte. Dana hielt inne und starrte nach draußen. „Wir haben so gut wie keinen Kontakt mehr“, flüsterte sie traurig.
„Das ist seltsam. Ich dachte sie wären ihr Freund“, wandte sich der Priester an mich. Wunder Punkt. Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und atmete durch. „Nein ihr Freund ist jemand anderes…“, sagte ich schroff. Der Priester zuckte mit seinen Schultern. „Dann muss er halt auf sie achten und euch Bericht erstatten. Das ist sehr wichtig.“ Das wurde mir zu viel. Wie hatte es nur so weit kommen können? Haylie und ich waren immer irgendwie zusammen gewesen und jetzt zerbrach alles. Als wäre das nicht genug gewesen, wurde Haylie immer seltsamer. Ihre Depression schien zurück zu kommen und das verursachte mir Bauchschmerzen. Alleine würde sie das nicht schaffen…sie war noch nicht soweit. „Machen sie sich keine Sorgen…vorerst nicht. Wenn sie eine starke Seele hat…wieso sollte sie das Böse in sich lassen?“, versuchte der Priester uns zu beruhigen. Doch war Haylies Seele wirklich so stark? Wenn sie sogar ihre Freunde…ihre Familie im Stich ließ, nur weil sie einen Freund hatte, der auf alles eifersüchtig war, was atmete? Mir wurde bewusst, dass Haylie jetzt auf sich allein gestellt war. Sie wollte unsere Hilfe nicht mehr…
Die Situation war aussichtslos. Ich konnte mich nur im Hintergrund halten und beten, dass sie wusste, was sie tat.