Montag, 9. Mai 2016
Am See
„Eigentlich darf sie nicht entlassen werden…“, wiederholte der Arzt erneut und bedachte Noah mit einem strengen Blick. Anschließend wandte er sich zu mir. „Andererseits…vielleicht würde dir die Ablenkung gut tun.“ Das Krankenzimmer erhitzte sich immer mehr, während die Mittagssonne auf die Fenster strahlte. Der Frühling stand vor der Türe und es wurde immer heißer. Ich setzte mich auf und schaute hoffnungsvoll zu meinem Arzt. Noah und die Anderen wollten zum See fahren und mich mitnehmen. Die ganze Nacht hatte ich vor Schmerzen geschrien, deshalb war ich müde und schwach. Aber ich wollte unbedingt mitkommen. Ich brauchte die Sonne, die Wärme. „Ich passe auf sie auf und bringe sie sofort wieder zurück, wenn die Schmerzen wieder anfangen. Versprochen“, beteuerte Noah. „Es liegt ja im Grunde genommen nicht in meiner Hand…“, dachte der Arzt laut nach. Somit war es entschieden: Wir fuhren an den See!

Dana und ich lagen auf einer riesigen, roten Decke und schauten in den Himmel. Sie trug einen schlichten, schwarzen Bikini und ihre Haare waren zu einem Dutt gebunden. Ich dagegen trug einen hellbraunen Rock und eine weiße Bluse. Mir ging es nicht gut aber ich wollte mir nichts anmerken lassen. Jonah und Noah trugen beide die gleichen, dunkelblauen Badehosen. Anscheinend waren die Cousins zusammen einkaufen gewesen. Die Beiden sprangen immer wieder in den See und versuchten sich gegenseitig zu toppen. Immer wieder stritten sie sich, wer wohl am weitesten gesprungen war. Manchmal benahmen sie sich wie Kinder aber das verschaffte uns oft lustige Momente. Nick, Danas neuer Freund, saß am Rand der Decke und rauchte. Er trug noch seine schwarze Jeans, jedoch kein Oberteil. Dadurch hatte man einen perfekten Blick auf seine vielen Tatoos. Sein ganzer Rücken glich einem dunklen Wald. Der See war klar und wunderschön blau. Wir hatten uns extra einen Teil des Sees ausgesucht, an dem keine anderen Menschen saßen. So hatten wir unsere Ruhe, zwischen vielen Bäumen und auf einer saftig-grünen Wiese.
Dana richtete sich auf und sah zum Wasser. „Ich glaube ich geh auch ne Runde schwimmen“, sagte sie und stand auf. „Kommt jemand mit?“ Nick pustete eine Nikotin-Wolke in Danas Richtung und schüttelte mit dem Kopf. „Ne, ich geh auch nicht mit. Viel Spaß“, lehnte ich im Halbschlaf ab. Also rannte sie alleine los und sprang den Jungs hinterher. Kurze Zeit später drehte Nick sich zu mir und lächelte mich an. „Dein Freund kann mich nicht leiden“, stellte er locker fest. Ich stützte mich mit meinen Ellbogen ab und sah ihn fragend an. „Er will nicht mal, dass ich dir wegen deiner Höhenangst helfe. Also da ist doch wirklich nichts dabei“, fuhr er fort und zuckte mit den Schultern. „Zugegeben, er ist echt unfreundlich zu dir gewesen aber so ist er manchmal“, bemerkte ich nachdenklich. Ich wusste ja selbst nicht, was Noah gegen Nick hatte. Nick rückte näher zu mir und sah auf meinen Rock, der mir bis zu den Knien ging. „Also ich kann ja verstehen, dass er dich beschützen will. Unter dem vielen Stoff ist ein hübsches Mädchen. Und Jungs stehen auf hübsche Mädchen“, sagte er und zwinkerte mir zu. Flirtete er mit mir? „Dana ist hübsch, also ja“, sagte ich entschieden und wich etwas zurück. Doch Nick rückte nach und war nur noch einige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Bitte, nicht! Wie sehr wünschte ich Dana eine Beziehung, und zwar eine echte Beziehung. Nick schien nicht der richtige Kandidat zu sein.
Plötzlich knallte ein Volleyball gegen Nicks Hinterkopf und er fuhr zusammen. „Irgendwie tut mir das jetzt nicht leid“, lachte Noah und kam auf uns zu. Seine Haare waren nass und auf seinem Oberkörper bildeten sich kleine Wasserperlen. Er nahm den Ball vom Boden und warf Nick einen spöttischen Blick zu. „Was ist dein Problem, Mann?!“, schrie Nick und stand auf. Er stellte sich bedrohlich vor Noah. Diesmal konnte ich Noah verstehen, denn ich sah das wahre Gesicht von Nick. „Du bist mein Problem“, antwortete Noah ruhig. Wow, diese Ruhe war noch gefährlicher, als das Knurren beim letzten Mal. Ich stand auf und war auf alles gefasst. „Dann schlag doch zu!“, verlangte Nick und schubste Noah an den Schultern. Dana kam auf uns zu und schrie etwas aber ich konnte es nicht verstehen. Kurz bevor Noah reagieren konnte, mischte ich mich ein. „Er wird nicht zuschlagen“, stellte ich lächelnd fest. „Er schlägt keine Mädchen.“ Noah prustete los und ich tat es ihm gleich. Er kam zu mir und küsste mich auf die Wange. „Sie hat Recht.“ Dana packte Nick an den Schultern, bevor dieser auf uns beide losgehen konnte. „Was ist hier los?“, wollte sie empört wissen. „Dein Freund hat anscheinend Lust sich zu prügeln“, erklärte ich knapp und sah Nick vorwurfsvoll an. Jonah kam dazu und schaute uns fragend an. „Es ist nicht zu fassen!“, rief Dana aus und warf ihre Arme über den Kopf. „Da hab ich mal einen guten Freund und ihr wollt ihn raus mobben? Ihr seid echt der Hammer!“ Es war klar, dass sie uns kein Wort glauben würde. Liebe macht die meisten Menschen bekanntlich blind. Deshalb erwähnte ich auch nicht den Flirtversuch, denn es würde nichts bringen. „Wenn du der Meinung bist, dann geh. Aber ihn möchte ich hier nicht mehr sehen“, sagte Noah entschlossen. „Gut, Jonah? Kannst du uns nach Hause fahren?“, fragte Dana eingeschnappt. Jonah sah fragend zu Noah und als dieser dann nickte, ging er genervt zu seinem Auto. Dana und Nick folgten ihm, ohne uns eines einzigen Blickes zu würdigen. Am Ende waren nur noch Noah und ich am See.
„Wollen wir schwimmen gehen?“, fragte Noah mich, als Jonah mit dem Auto wegfuhr. „Ich hab doch keinen Bikini mit“, stellte ich fest und sah dem Auto hinterher. Es tat weh, dass Dana eher zu Nick hielt, als zu uns. „Stimmt“, flüsterte Noah. Auf einmal griff er unter meine Beine und hob mich hoch. Kreischend klopfte ich gegen seine Brust und versuchte irgendwie runter zu kommen. Er hielt mich immer fester und rannte los. Wir näherten uns dem Wasser und ich wusste bereits, was auf mich zukam. Er sprang ohne zu bremsen und bald darauf fielen wir beide in den See. Da er wusste, dass ich nicht sonderlich gut schwimmen konnte, ließ er meine Hand dabei nicht los. Wir tauchten auf und schnappten nach Luft. Mein Rock wurde nach oben gedrückt, deshalb versuchte ich ihn mit meiner freien Hand unten zu halten. Noah lachte und legte seine Hände um meine Taille. Schlagartig ging es mir besser und mein Besuch im Krankenhaus war vergessen. Ich griff mit meinen Armen um seinen Hals und drückte meine Lippen auf seine. Wie sehr ich es liebte, wenn man mir das Gefühl gab, dazuzugehören. Und ich gehörte zu ihm.

Am Ufer zog ich meinen Rock und meine Bluse aus. Dafür bekam ich Noahs Shirt, welches mir viel zu groß war und als Kleid durchging. „Echt sexy, wenn du meine Sachen anhast“, kommentierte Noah die Szene, als er sich auf die Decke legte. Als ich fertig war, setzte ich mich auf seinen Schoss und lächelte ihn an. Er verschränkte die Hände hinter seinem Kopf und sah mir tief in die Augen. Seine Pupillen weiteten sich und sein Lächeln wurde immer breiter. „Wollen wir was Verrücktes machen?“, fragte er mich. Ich schaute kurz in den Himmel und schloss dann meine Augen, um die Sonnenstrahlen zu tanken. Langsam wurde ich stärker. Stark genug, um etwas Verrücktes zu machen? „Ja“, antwortete ich und lehnte mich nach unten, um ihn zu küssen.

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