Sonntag, 28. April 2019
Regeneration
Aushalten. Das Wort hört sich zunächst passiv an…als würde man nicht viel tun. Doch hinter diesem Wort steckte für mich plötzlich so viel. Aushalten kann sehr wohl aktiv sein, weil aushalten alleine unerträglich ist und man alles daran setzen muss nicht durchzudrehen.
Nach drei prägenden Jahren war es vorbei und ich war plötzlich wieder Single. Ich hätte jederzeit kämpfen können aber ich wollte nicht mehr, mir fehlte schlichtweg die Kraft. Also ließ ich ihn gehen. In einer sehr guten Serie hörte ich mal den Satz: „Ich kann dich lieben und trotzdem gehen lassen.“ Und dies tat ich. (…)
Diesmal fiel ich nicht in ein tiefes Loch, denn ich suchte mir Ziele, Rettungsringe, an denen ich mich bei starkem Wellengang festhalten konnte. In der ersten Woche sah ich mir direkt Wohnungen an, denn ich ertrug es nicht länger in der alten Wohnung, mit den alten Problemen zu bleiben. Plötzlich hatte ich das Gefühl nicht mehr ein „Opfer“ zu sein, sondern eine e
Erwachsene Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt. Und es fühlte sich verdammt gut an. Als die Vermieterin die Wohnungstür öffnete wurde mir bewusst, dass diese Türe auch ein Symbol für neue Wege sein würde. Eine Tür in eine Zukunft. (…)
Ich traf mich jeden Tag mit anderen Freunden. Sowohl neue, als auch alte Freunde. Ich begann Menschen zu akzeptieren und hörte auf zu kämpfen. Ja, das war es, ich hörte auf zu kämpfen. Das hieß nicht, dass ich das Ziel ändern wollte, ich änderte schlichtweg den Plan, denn der bisherige Plan führte zu nichts. Ich erlaubte mir wieder Träume zu haben. Viel zu lange hatte ich mich von der Krankheit einkesseln lassen. Wieso sollte ich keine Schauspielerin werden können? Neben meinem Beruf hätte ich auch Zeit kleine Rollen anzunehmen. Also schrieb ich an eine Agentur und die nahmen mich in ihrer Kartei auf. Schon bald würde ich auf Castings gehen, einfach so, weil ich es kann. Ich wollte endlich meine Fesseln sprengen. (…)
Über eine Sache hatte ich besonders intensiv nachgedacht…was aus Dana, Noah und Jonah geworden war. War es heuchlerisch sich nun zu melden? Vermutlich. Doch sollte mich mein Stolz davon abhalten, es zu versuchen? Nein. Stolz macht stark aber nicht glücklich. Also fuhr ich hin. Es war Abend und Ostern neigte sich dem Ende zu. Dana hatte mir ihre neue Adresse per „Whatsapp“ geschickt und die Wohnung war nicht allzu weit von der vorherigen entfernt. Wir hatten uns seit bestimmt zwei Jahren nicht mehr gesehen. Mein Herz pochte und ich fragte mich, was sie zu mir sagen würde und ob die anderen auch da waren.
Ich parkte mein Auto am Straßenrand, atmete durch und ging auf die Wohnungstür zu. Es war eine ruhige Gegend und die Häuser wirkten sehr gepflegt. Bestimmt war die Miete dort nicht billig. Es war komisch zu wissen, dass die WG nicht mehr existierte, doch ich konnte mir vorstellen, dass die Jungs Dana immer noch auf die Nerven gingen. Ich klingelte und es dauerte nicht lange, bis die Türe sich öffnete. Nervös ging ich im Treppenhaus hinauf, natürlich wohnte Dana ganz oben. Als ich komplett außer Atem oben ankam, gab es kein Zurück mehr. Mit ausgestreckten Armen und geweiteten Augen stand Dana im Türrahmen und umarmte mich, als wäre ich ein Soldat, welcher aus dem Krieg heimgekommen war. Anschließend drückte sie mich von sich und musterte mich von oben bis unten. „Heilige Scheiße!“, rief sie aus und drückte mich noch mal. Sie hatte ihre naturroten Haare hochgesteckt, und war lässig in Top und Jeans gekleidet. Es war so, als wäre ich nie weg gewesen. Nach einer weiteren Minute in der Umarmung fragte sie schließlich: „Du weißt schon, dass es ganz schön scheiße von dir war, dass du einfach jahrelang weg warst?“ Ich befreite mich vorsichtig aus der Umarmung und zuckte kurz mit den Schultern. „Vielleicht wollte ich ja nur so umarmt werden.“ Ich wusste, dass sie nicht sauer auf mich war, denn wir waren einfach Freunde und das hatte sich nie geändert. Sie bat mich rein und ich zog Schuhe und Jacke aus. Danach zeigte sie mir die Küche, welche etwas größer war, als in der WG. Alles war heller und weiblicher eingerichtet.
Generell war die Wohnung sehr schön. Der Weg führte uns schon bald in das Wohnzimmer, aus dem bekannte Stimmen kamen.
„Überraschung!“, zwitscherte Dana freudig und schaute auf die Couch. Ich betrat den Raum und da saßen sie, Noah und Jonah, kaum verändert. Sie hielten Controller in den Händen und hatten den Blick vom Fernseher abgewandt, um mich mit gemischten Gefühlen anzuschauen. Jonah sprang als Erster auf. „Ja scheiß doch einer die Wand an!“, rief er aus und kam auf mich zu, um mich zu umarmen. „Judas ist wieder zu Hause!“ Seine Haare waren etwas länger als früher aber er hatte sich ansonsten nicht verändert. Auch sein seltsamer Humor war geblieben. „Ich bin kein Judas, der hat sich nach seiner Tat umgebracht“, bemerkte mich, löste mich aus seiner Umarmung und schaute fragend zu Noah. „Ich bin so blöd, komme zurück und bitte um Vergebung.“ Er zog die Augenbrauen hoch, legte den Controller weg und lehnte sich auf der Couch zurück. „Man muss sich nicht dafür entschuldigen eine Wahl getroffen zu haben“, meinte er schließlich und mit kaum einer Emotion. (…)
Wir unterhielten uns alle den ganzen Abend und auch, wenn es anfangs sehr komisch war…es würde mir helfen mich zu regenerieren.