Mittwoch, 17. Februar 2016
Das Mädchen von damals
Wie sehr wünschte ich mich in meine Grundschulzeit zurück...in meine sorglose Kindheit.
Der Schnee knirschte damals unter meinen kleinen Füßen, als ich zu meiner besten Freundin rannte. Es war praktisch, dass meine beste Freundin gleichzeitig meine Nachbarin war. Ihr Haus war direkt gegenüber von meinem Haus. Mein hellbraunes Haar, welches ich zu einem Zopf gebunden hatte, wippte hin und her.
In der einen Hand hatte ich das Seil, an dem ein Schlitten befestigt war. In der anderen Hand hielt ich eine Leine. Bugs, der schwarze Labrador meines Onkels, folgte mir auf Schritt und Tritt.
Meine beste Freundin kam aus ihrem Haus und wir gingen in ihren Vorgarten. Leah hatte dunkelblonde Haare und vor kurzem hatte sie sich einen Pony schneiden lassen. Auch sie hatte einen Holzschlitten, genau wie ich. "Gut, jetzt haben wir beide einen!", stellte sie glücklich fest und begrüßte Bugs, indem sie ihn streichelte. "Dann kann Operation-Geronimo starten", sagte ich aufgeregt. So machten wir uns auf den Weg. Wir hatten nur Jeans an, dünne Oberteile und eine Herbst-Jacke, obwohl es eiskalt war. Doch das machte uns nichts, denn wir wurden nie krank. Damals war mein Immunsystem so stark...es gab weder Anfälle noch sonst etwas dieser Art.

Wir suchten uns einen großen Hügel auf einer großen Wiese und kletterten hoch. Als wir oben waren, schaute ich unsicher runter. "Wow...das geht echt steil runter", bemerkte ich nervös. "Ja! Wie lange hab ich auf diesen Tag gewartet!", rief Leah aus und stellte ihren Schlitten bereit. Das war wieder mal typisch...die hatte vor gar nichts Angst.
Nachdem ich meinen Schlitten auch bereit gestellt hatte, wies ich Bugs an, hier oben zu warten. Er setzte sich in den Schnee. Leah und ich setzten uns auf unsere Schlitten und zählten von 10 herunter. Als wir den Schlitten in Bewegung setzten riefen wir beide: "Geronimo!" Die Schlitten wurden immer schneller und irgendwann verloren wir beide die Kontrolle und knallten gegeneinander. Wir wurden von unseren Schlitten geschleudert und landeten, mit dem Kopf zuerst, in einem riesigen Schneehaufen. Bugs eilte uns von oben zur Hilfe und spätestens in dem Moment, prusteten wir beide los.
An dem Tag jagte ein Lachanfall den nächsten. Wir fuhren bestimmt 50 mal diesen Hügel runter und landeten immer im Schnee. Irgendwann waren unsere Klamotten total durchnässt und wir beschlossen nach Hause zu gehen. "Wir haben Kakao zu Hause...hast du Lust?", fragte mich Leah, als wir wieder auf unserer Straße waren. "Soll das ein Witz sein? Kakao ist mein zweiter Vorname!" Wir lachten wieder und gingen zu ihr. Sie gab mir ein Handtuch, damit ich die Pfoten von Bugs trocknen konnte. "Bugs, Pfote", wies ich ihn an und er gehorchte. Er gab mir eine Pfote nach der anderen.
Wir gingen rein und setzten uns an die Heizung, als wir unseren Kakao tranken. Bugs legte sich neben uns...er war so ein treuer Freund.
Die Welt war perfekt...

Und jetzt? Was war aus mir geworden?
Ich lag im Bett und erholte mich von meinem Anfall in der Nacht und von meinem Kater. Wahrscheinlich hatte ich es verdient. Tief in mir wusste ich, dass Alkohol keine Lösung war. Irgendwie machte dieser es noch schlimmer. Mein Kopf hämmerte und ich spürte meine Beine kaum. Noah kam mit einer Schüssel Suppe in das Zimmer. "Kein Alkohol mehr...mir egal, ob du mich jetzt hasst. Aber diesen Selbstzerstörungsdrang musst du dir abgewöhnen", sagte er und reichte mir die Suppe. Ich rappelte mich auf und nahm die Schüssel entgegen. "Ich will nur die Wahrheit wissen...hast du noch Kontakt zu ihm?", fragte ich mit brüchiger Stimme. "Ich hatte noch sehr lange Kontakt mit ihm und manchmal sehe ich ihn noch. Es war aber nie meine Absicht, dir dein Leben schwer zu machen", erzählte er und griff nach seiner Jacke, die über dem Schreibtischstuhl hing. "Ruh dich aus. Ich muss arbeiten", sagte er und verließ das Zimmer.
Ich blieb zurück und starrte auf die Hühnersuppe vor mir. Jedes Mal fragte ich mich, was wohl das kleine Mädchen von damals zu mir sagen würde, wenn sie mich jetzt sehen könnte. Ganz sicher wäre sie nicht stolz. So hatte ich mir meine Zukunft einfach nicht vorgestellt...
Damals, als Bugs noch da war...da legte er immer seine Schnauze auf meine Oberschenkel, wenn ich traurig war. Er ließ mich nie alleine und war immer an meiner Seite.
Seine treuen Hundeaugen verrieten mir, alles würde wieder gut werden.
Ja, Bugs...vielleicht hattest du recht.

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