Mittwoch, 16. November 2016
Der Pakt mit dem Teufel
Ich ging barfuß einen dunklen Strand entlang. Das Meer, welches vor mir lag, war ruhig und spiegelte den großen Vollmond wieder. Eine so perfekte Kulisse, wie sie nur im Traum existieren konnte.
Mir war bewusst, dass Niklas hier irgendwo auf mich wartete. Dieser Dämon verfolgte mich schon seit meiner frühen Kindheit. Als der Sand feucht wurde und leichte Wellen meine Zehen umspielten, blieb ich stehen und schaute mich um. „Ich weiß, dass du hier bist. Ich habe gemacht, was du gesagt hast. Mein Studium abgebrochen…jetzt, jetzt kriege ich die volle Kontrolle über meine Träume zurück. Damit ich nachts wenigstens meine Ruhe habe!“, forderte ich entschieden. Ein dunkler Schatten zuckte links von mir auf. Aus dunklem Nebel bildete sich eine Gestalt, die ich immer nur verschwommen sehen konnte. Vielleicht war es auch besser so. „Du hast deinen Pakt noch nicht vollständig erfüllt“, hauchte eine raue Stimme, als wäre sie direkt in meinem Kopf. „Was redest du da? Ich habe mein Studium abgebrochen und du bist nicht zufrieden?!“, brüllte ich ihn an, dabei ballte ich meine Hände zu Fäusten. „Du lebst immer noch nach dem katholischen Glauben. In deinem Zimmer liegen sogar zwei Bibeln, aus denen du liest. Unser Pakt war: Glaube gegen Schlaf.“ Meine Zehen krallten sich in den nassen Sand, während das Meer immer stürmischer wurde. Das hier war schließlich mein Traum. „Ich werde meinen Glauben nicht komplett aufgeben! Vergiss es!“, fuhr ich den Schatten an und wandte mich ab. Mit geschlossenen Augen versuchte ich mich wegzuwünschen. „Was ist, wenn ich dir sagen würde, ich lasse deine Schmerzen verschwinden?“, warf Niklas plötzlich ein. Ich erstarrte, drehte mich um und weitete meine Augen. „Du kannst meine Schmerzen verschwinden lassen?“, hakte ich zögernd nach. Es war falsch mich darauf einzulassen aber ich wollte ihm zuhören. Diese Schmerzen plagten mich schon seit Jahren. „Dafür fordere ich nur eine Sünde“, stellte Niklas fest. „Welche?“, jetzt wollte ich es unbedingt wissen. „Rache.“
Rache? Damit hatte ich nicht gerechnet. „Ich nehme deine Schmerzen und gebe sie jemand anderem“, schlug er langsam vor. Seine Worte hallten durch meinen Kopf, immer und immer wieder. Ich dachte doch tatsächlich darüber nach! Zu was genau machte mich das? „Wer bekommt diese Schmerzen?“, wollte ich wissen.
„Nun, deine Schwiegermutter hat sich bei dir nicht sonderlich beliebt gemacht. Im Übrigen, kann sie dich auch nicht leiden. Ihr schwacher Punkt ist ihr Magen, wie deiner. Damit kann man doch arbeiten!“, sagte er begeistert und machte komische Geräusche, als würde er mit der Zunge schnalzen. Ich bekam eine Gänsehaut und ging einige Schritte von seinem Schatten weg. „Du gibst ihr meine Schmerzen und ich habe nie wieder welche?“ Diese Ausmaße wurden mir erst jetzt richtig klar. „Sie hat sogar schon welche. Diese sind aber nicht so stark, wie deine. Das könnte sich bald ändern, wenn du einschlägst“, bemerkte Niklas und aus dem Dunklen trat eine schwarze Hand, die bereit war, meine entgegen zu nehmen. Schnell versteckte ich meine Hände hinter meinem Rücken. „Bist du irre? Lass sie in Ruhe!“, schrie ich ihn an. So war ich nicht. Ich war kein Monster. „Aber ich habe doch gar nichts gemacht. Für ihre Schmerzen ist sie selbst verantwortlich. Außerdem, wenn sie noch deine bekommt, ist sie schnell am Ende. Das willst du doch!“, brüllte die tiefe Stimme zornig. „Das wollte ich nie!“, unterbrach ich ihn. „Die Schmerzen hat keiner verdient. Ich gehe jetzt“, sagte ich und wollte wegrennen. Doch er hielt mich zurück…erneut. „Wenn du diesen Pakt eingehst, wirst du das verhindern!“, meinte seine laute Stimme. Ich drehte mich erst zu dem Schatten, der seine Hand ausgestreckt hatte und auf den großen Mond deutete. Der Mond färbte sich erst rot, danach tauchte ein Bild auf, wie bei einem Fernseher.
Unsicher hielt ich inne, als ich das Wohnzimmer von Marvin erkannte. Marvin saß an dem Wohnzimmertisch und trank ein Glas Cola, während er sich irgendetwas durchlas.
Er sah älter aus…wie Mitte 20. Zeigte Niklas mir grade die Zukunft? Irritiert schaute ich erst den Schatten an und dann wieder den Mond, der immer noch Marvin zeigte. Seine Mutter tauchte auf, welche sich außer ein paar grauer Haare, kaum verändert hatte.
Und neben ihr, eine Frau mit langen, hellbraunen Haaren. Die Frau war ungefähr in Marvins Alter und begann mit ihren Blicken zu flirten. „Das ist Natalie, eine Praktikantin von uns. Ich dachte, du solltest sie mal kennen lernen. Tut dir bestimmt gut“, stellte seine Mutter das Mädchen vor. Ich schloss die Augen, denn so eine Zukunft wollte ich nicht sehen.
„So sieht eure Zukunft aus. Die Mutter wird nicht aufgeben und Männer sind so leicht zu beeinflussen“, predigte Niklas neben mir. „Nur du kannst sie aufhalten, jetzt.“
Meine Augen blieben geschlossen. Manchmal wünschte ich mir so sehr einfach aufzuwachen aber er hatte die Kontrolle. In meinen Gedanken baute ich mir eine Kirche. Ein großes Gebäude mit riesigen, bunten Fenstern. Vorne über dem Steinaltar hing Jesus am Kreuz. Die Bänke waren aus altem Holz und dennoch gepflegt. Als ich die Augen öffnete, war ich wirklich in besagter Kirche.
„Was tust du?!“, herrschte mich Niklas an. Sein Schatten verblasste immer mehr. Die Kirche war kein Ort für ihn. Bald würde er verschwinden. „Du denkst also, dass du eine reine Seele hast?! Das hast du nicht! Das beweisen deine Schmerzen!“, kreischte er rachsüchtig. „Das Trachten des Menschen ist böse, von Jugend an! So steht es in der Bibel! Genesis, der Schöpfungsbericht! Du glaubst doch an Gott und er glaubt an das Böse im Menschen! Dein Vater hat auch an das Böse im Menschen geglaubt! Dein Vater aus Fleisch hat mir dich versprochen! Das erste Kind der Blutlinie!“ Dann verschwand das Dunkle und die Kirche war so still, dass ich meinen Herzschlag hören konnte.

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