Donnerstag, 18. Februar 2016
Die Macht der Träume
Ich konnte es nicht glauben. Marvin stand vor meiner Haustüre und hatte einen Strauß Rosen in der Hand. Es war ein milder Wintertag und die Sonne schien ihm ins Gesicht. "Was ist denn jetzt los?", fragte ich überrascht. "Ich hab nachgedacht. Es tut mir leid und ehrlich gesagt vermisse ich dich auch. Ich hätte einfach kämpfen sollen...hoffentlich ist es nicht zu spät", sagte er liebevoll und drückte mir die Blumen in die Hand.
Nachdem ich die Rosen in eine Vase gestellt hatte, beschlossen wir spazieren zu gehen. Wer hätte das gedacht? Vielleicht wurde ja doch alles besser.
Wir gingen die Straßen entlang, die kaum befahren waren und kamen schließlich zu einer großen Brücke. "Wollen wir mal was verrücktes machen? Ich weiß, dass du Höhenangst hast aber vertrau mir einfach", wies mich Marv an und nahm meine Hand. Die Brücke war echt nicht so hoch...vielleicht würde ich es schaffen, ohne in Panik zu verfallen. Außerdem war ich froh, dass ich Marv wieder an meiner Seite hatte.
Wir gingen langsam die Bücke hinauf und ein sanfter Wind umspielte meine Haare. In der Mitte der Brücke blieb Marv stehen und lehnte sich an das Geländer. "Siehst du? Es ist gar nicht so schlimm. Ich bin echt froh dich wieder zu haben", bemerkte er sanft. "Ich bin auch richtig froh. Es tut mir auch leid, dass ich manchmal so kompliziert bin", entschuldigte ich mich und sah nach unten. Es war gar nicht so tief und direkt neben der Brücke erhob sich ein Dach, auf dem Stühle aufgestellt waren. Plötzlich kletterte Marv über das Geländer und hielt mir seine Hand hin. "Komm! Von hier aus kann man auf das Dach springen. Wir können uns dorthin setzen", schlug er glücklich vor. Ich erstarrte. Was? "Bist du verrückt? Ich springe nicht auf das Dach...", stellte ich entgeistert fest und entfernte mich etwas vom Geländer. Doch er packte mich schon an meiner Hand. "Das ist nicht schlimm Große, du schaffst das! Oder liebst du mich nicht?" Da dämmerte es mir...der echte Marv würde mich nie dazu zwingen, von einer Brücke zu springen. Das war nicht real...
Ich sah mich um und stellte fest, dass wir komplett alleine waren auf der Straße. Es fuhren keine Autos und keine Menschen kamen an uns vorbei. Ich sah keine Vögel oder sonst ein Lebenszeichen. Das war ein Traum...
Ich wollte meine Hand wegziehen aber er hielt sie immer fester. Er wollte mich über das Geländer ziehen und sein Gesichtsausdruck wurde immer finsterer. "Lass mich los...du bist nicht echt!", schrie ich ihn an. "Was wirfst du mir vor? Ich dachte du liebst mich! Jetzt musst du auch kämpfen!", brüllte er zurück und zog mich zu sich.
Plötzlich wurde ich von etwas nach hinten gezogen.
Alles wurde dunkel.

"Wach auf! Verdammt nochmal!", schrie Noah verzweifelt und ich kam zu mir. Oh nein...
Als ich mich umsah bemerkte ich, dass ich auf dem Balkon der WG stand. Direkt am Geländer...was war hier los? Wollte ich da etwa runterspringen? Noah hielt mich an beiden Oberarmen fest und war sichtlich erleichtert, als ich wach wurde. Tränen schossen mir in die Augen...ich war so ein Freak!
Er schloss mich in seine Arme und versuchte mich zu beruhigen. "Bitte sag mir nicht, dass ich da runter springen wollte", flehte ich weinerlich und drückte mein Gesicht an seine Schulter. "Wir werden eine Lösung finden...", versicherte er mir leise.
Es war früh am Morgen und nach der Aktion wollte ich wirklich nicht mehr schlafen gehen. Also tranken wir zusammen einen Kaffee und machten uns danach fertig.
"Wenn ich mich beeile, dann schaffe ich es noch zu meinem Geschichtskurs", sagte ich, nachdem ich fertig aus dem Bad kam. Noah stand im Flur und nickte. "Ich fahre dich."

Im Auto sprachen wir kaum ein Wort. Eigentlich war ich sauer auf ihn, wegen den Geheimnissen, die er vor mir hatte. Doch aus irgendeinem Grund war er immer zur Stelle, wenn ich im Begriff war, etwas total dummes zu tun. Und Marv? Es machte mich fertig...während des Traums dachte ich tatsächlich, ich hätte ihn wieder. Es fühlte sich so schön an.
Doch als ich genauer über den Traum nachdachte, war es in der Tat zu schön, um wahr zu sein.
Mein Unterbewusstsein hatte versucht mich auszutricksen...oder? Was waren das für Anfälle und wieso waren meine Träume so...lebendig?
Noch mehr Fragen für meine Liste.
Nach langem Schweigen sah ich Noah neugierig an. "Woher weißt du immer, wenn ich in Schwierigkeiten bin? Das ist echt krass", bemerkte ich dankbar.
"Vielleicht ist das ein Zeichen", sagte er und schaute mich dabei ernst an.
"Ein Zeichen? Für was?"
Er hielt an einer roten Ampel und setzte sein schiefes Lächeln auf.
"Flieg mit mir nach Amerika."

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