Freitag, 1. Juli 2016
Erscheinung
Der Streit mit meinen Freunden ging nicht spurlos an mir vorbei. Deshalb wollte ich mich am Abend mit einem Kinobesuch ablenken. Zwei Freundinnen von mir luden mich ein, was mir grade recht kam. (…) Der Abend verlief sehr gut. Ich konnte sogar lachen. Mitten in der Nacht fuhr ich meine Freundinnen nach Hause. Manchmal nervte es, die Einzige mit einem Auto zu sein. Das hatte zwar durchaus Vorteile aber am Ende spielte man doch das Taxi für jeden. Müde parkte ich mein Auto neben der Straße. Mein Kopf begann zu pochen. Mit zusammengekniffenen Augen legte ich meine Finger auf meine Schläfen. Langsam umkreiste ich die schmerzende Stelle. Draußen war es still und dunkel. Selbst die Straßenlaternen leuchteten nur schwach. Gut, dass ich nur eine Minute zur Haustüre brauchte. Nachdem das Pochen etwas nachgelassen hatte, nahm ich meine Handtasche und stieg aus dem Auto. Mir wurde eiskalt. Ich hätte mir doch etwas Wärmeres anziehen sollen. Eine lange Jeans und ein langes Shirt reichten wohl für diesen Sommer nicht aus. Zitternd schloss ich mein Auto zu. Da bemerkte ich es und blieb geschockt stehen. Weiter hinten auf der Straße stand jemand und starrte direkt zu mir. Genauso fingen Horrorfilme doch an! Die Angst lähmte mich, während die Gestalt eine Hand hob, um zu winken. Egal wie sehr ich mich anstrengte…ich konnte nicht erkennen, ob es ein Mann oder eine Frau war. Wobei ich eher zu einem Mann tendierte. Für einen Moment schien die Welt stehen geblieben zu sein. Plötzlich hielt mir jemand von hinten die Augen zu. „Hey!“, begrüßte mich Michelle, eine Freundin aus meiner alten Schule. Mein Herz setzte für einen Schlag aus, weil ich mich richtig erschrocken hatte. Ich fuhr zusammen und wirbelte herum. Michelle war ein Kopf kleiner als ich. Was süß war, denn selbst ich war nicht groß. Sie hatte sehr dicke, braune Haare und trug dunkelblaue Jeans und ein Blümchen Oberteil. Grinsend musterte sie mich. „Du siehst ja aus, als hättest du einen Geist gesehen!“, bemerkte sie lachend. Ich drehte mich noch einmal um, um zu gucken, ob dieses Etwas noch da war. Doch die Straße war leer. „Wen suchst du?“ Verwirrt wandte ich mich wieder Michelle zu. „Niemanden. Ich wollte grade nach Hause gehen. Und erschreck mich nie wieder so!“, ermahnte ich sie scherzhaft. Sie hob unschuldig die Hände. „Was machst du überhaupt hier…mitten in der Nacht?“, fragte ich schließlich, als mir die Uhrzeit einfiel. Michelle setzte wieder ihr typisches Lächeln auf. „Mein Freund wohnt doch nur eine Straße weiter.“ Ach ja, das hatte ich vollkommen vergessen. „Trotzdem ist es gefährlich hier Nachts rum zu laufen“, stellte ich fest. Dabei hörte ich mich an, wie eine besorgte Mutter. Oh man…diese Gestalt hatte mich echt verwirrt. „Ich geh ja schon. War schön, dich zu sehen!“, verabschiedete Michelle sich freundlich.
Als sie verschwand, warf ich noch einige Blicke auf die Straße aber diese Person…war nicht mehr aufzufinden.

In der Wohnung ging es mir immer schlechter. Meine Körpertemperatur stieg auf über 40 Grad, mein Hals schmerzte und durch meine Nase bekam ich keine Luft. Super…das alles fühlte sich stark nach einer Grippe an. Oder sowas ähnliches. Also zog ich mir eine kurze, weiß-blaue Schlafhose an, ein dazu passendes Top und band mir die Haare nach hinten. Ich spürte schon, dass ich jetzt für einige Tage im Bett liegen würde. Das passte mir gar nicht, denn in meiner Wohnung gingen echt seltsame Dinge ab. Genervt tapste ich von meinem Zimmer zur Küche. Dabei ließ ich im Flur das Licht aus und bewegte mich möglichst leise, denn meine Großeltern schliefen bereits. In der Küche knipste ich dann doch das Licht an und ließ den Wasserkocher aufkochen. Nichts ging über einen heißen Pfefferminztee. „Hallo…“, hörte ich eine Flüsterstimme sagen. Na toll, ging das schon wieder los! Ängstlich blickte ich von der Küche, direkt in das dunkle Wohnzimmer. Die Balkontüre stand offen und der Wind wehte die Gardine in den Raum. „Super…überhaupt nicht spooky oder sowas“, fluchte ich ins Leere. Meine nackten Füße verweilten etwas auf den kalten Küchenfliesen, bevor ich mich traute zur Balkontüre zu gehen. Der Plan war es gewesen, einfach die Tür zu schließen und wieder in die Küche zu rennen. Doch durch die Fenster sah ich es…diese Gestalt stand wieder auf der Straße. Direkt vor meiner Wohnung. Ich trat auf den Balkon und sah hinab. Komischerweise hatte ich auf unseren Balkon noch nie Höhenangst gehabt. Diese Gestalt hob schon wieder die Hand, um zu winken. Eine Gänsehaut breitete sich über meine Arme aus. „Spring…“, hörte ich. Spring? Vom Balkon? Ja ne, ist klar. Vielleicht träumte ich das alles nur. Oder es waren Einbildungen, die aufgrund des hohen Fiebers einsetzten. Egal was es war, ich würde nicht springen! „Verpiss dich“, zischte ich entgeistert und rannte wieder ins Wohnzimmer, wo ich die Balkontüre zu knallte.
Auf schnellstem Wege machte ich mir meinen Tee und verschwand in meinem Zimmer. Meine Knochen fühlten sich an, als wären sie aus Glas. Lange würde ich nicht mehr laufen können. Müde schlürfte ich meinen Tee aus und legte mich schließlich ins Bett. Der Fernseher lief noch ein bisschen, weil ich nicht in der Dunkelheit liegen wollte. Manchmal bekam ich es mit der Angst zu tun. Was ist, wenn diese Erscheinungen nichts mit dem Fieber zu tun hatten? Wie oft waren mir schon komische Dinge passiert? Zu oft! Plötzlich krallte sich etwas an meine nackte Wade und zog daran. Vor lauter Schreck verschluckte ich mich und gab ein seltsames Geräusch von mir. Panisch sprang ich auf und guckte mich in meinem Zimmer um. „Verdammt!“, kreischte ich. Danach betrachtete ich meine linke Wade. Dort befand sich ein blutiger Kratzer. Das konnte keine Einbildung sein. Erschüttert ließ ich meine Augen erneut über mein kleines Zimmer wandern. Was hatte es damit auf sich? Ich lief zurück ins Bett und versteckte mich vollkommen unter der Bettdecke, bis mein Herz sich einigermaßen beruhigt hatte. Sowas würden mir die meisten Menschen sowieso nicht glauben. Deshalb hielt ich es für abwegig meine Großeltern zu wecken, geschweige denn, jemanden anzurufen. Nach einigen Minuten tastete ich auf der Bettdecke, nach meinem Handy. Mit irgendeinem Menschen musste ich jetzt Kontakt haben, damit ich wusste, dass ich wirklich nicht träumte. >>Bist du immer noch sauer auf mich? <<, fragte ich Dana per SMS. Lange musste ich nicht auf meine Antwort warten. >>Ja, aber du musst selbst wissen, was du machst. Wieso bist du noch wach? << Vorsichtig schaute ich mich im Zimmer um aber ich konnte nichts Verdächtiges entdecken. Also wandte ich mich wieder dem Handy zu. >>Kann einfach nicht schlafen…muss über vieles nachdenken. Und was ist mit dir? << Das war allerdings nur die halbe Wahrheit. Von der komischen Gestalt berichtete ich Dana nicht. >>Hab noch lange mit Noah gesprochen…aber vergessen wir das Thema. :-/ Ich will nur, dass du die richtige Entscheidung triffst und Marvin nicht als dein Projekt ansiehst. Du kannst nicht jeden Menschen besser machen. << Dana machte sich nur Sorgen aber Marvin war mehr, als ein Projekt. Und ich wollte nicht mehr mit ihr diskutieren, denn die Streitigkeiten mit Marvin kosteten mich schon genug Nerven. >>Ich bin trotzdem noch für euch da. Ich muss nur einige Abstriche machen und mich etwas zurück ziehen. Hoffentlich kannst du das irgendwann verstehen :- ). << Das war die letzte Nachricht, die ich eintippte. Danach verlor ich das Bewusstsein.

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