Mittwoch, 23. November 2016
Kindergarten
Als ich an die Tür meines alten Kindergartens klopfte, um nach einem Praktikum zu fragen, da kamen sofort Erinnerungen hochgeschossen.
Ich erinnerte mich an vieles aus meiner Kindheit und dafür war ich teilweise echt dankbar.
Meine Erinnerungen reichen bis zu der fünfjährigen Haylie, die jeden Tag gerne in den Kindergarten ging.
Es war ein frischer Herbsttag, deshalb gab mir meine Oma einen dicken Pullover. Sie kämmte meine Haare zu einem Zopf, gab mir mein Essen und schickte mich los zum Kindergarten. Der Weg war nicht weit, deshalb konnte ich ihn schon alleine laufen.
Als ich dort ankam, zogen die Erzieherinnen ihr gewöhnliches Programm ab. Wir malten, sangen und spielten Spiele zusammen, an die ich mich nicht wirklich erinnern kann.
Ich verstand mich gut mit den anderen Kindern aber ich weiß noch genau, wie genervt ich immer war, weil diese zu laut waren. Meistens ging ich trotzdem raus zum spielen aber es gab auch Tage, an denen ich drinnen blieb, um mit den Erzieherinnen zu essen und sich zu unterhalten. Mindestens zwei Erzieherinnen blieben im Raum. Sie saßen an einem großen, runden Tisch und aßen ihr Frühstück.
Manchmal kramte ich meine Butterbrotdose raus und ging auf den Tisch zu. Kurz vor dem freien Stuhl blieb ich stehen. „Entschuldigung? Darf ich mich zu ihnen setzen?“, fragte ich, so höflich, wie nur möglich. Ich weiß noch, beim ersten Mal sahen sich die Erzieherinnen überrascht an und nickten irritiert. Die eine las Zeitung und die andere schnitt Pappe zurecht, damit die Kinder später basteln konnten.
Stolz bei den Erwachsenen zu sitzen, nahm ich Platz und begann in mein Brot zu beißen.
„Haben sie Kopfschmerzen? Die Kinder sind echt laut“, bemerkte ich und verzog das Gesicht. Ja, mir als Kind waren die anderen Kinder auch zu laut. Wieder schauten sich die Erzieherinnen komisch an, lächelten danach aber umso mehr. „Ja, manchmal hat man Kopfschmerzen. Hast du denn welche?“, wollte die eine Erzieherin von mir wissen. Ich schüttelte lächelnd mit dem Kopf. Mein Blick fiel auf die Pappe, die die Erzieherin neben mir noch schneiden musste. Die Arme konnte keine Pause machen. „Soll ich ihnen helfen? Dann können sie schneller was essen“, bot ich grinsend an und schaute auf die Schere, die vor mir auf dem Tisch lag. Es war eine Kinderschere aber ich konnte eigentlich schon mit normalen Scheren schneiden. „Das ist sehr lieb von dir. Kannst du denn schon schneiden? Nicht, dass du dir wehtust“, sagte die Frau und reichte mir vorsichtig die Kinderschere. „Mein Opa sagt immer, was man nicht kann, kann man lernen. Aber ich kann schon schneiden“, antwortete ich stolz und nahm ein Stück Pappe. Auf jeder Pappe war ein Kreis aufgezeichnet. Vorsichtig schnitt ich jeden Kreis aus und legte die Kreise schließlich geordnet aufeinander.
Währenddessen schnitt die Erzieherin einen Apfel auf und teilte ihn mit mir.
Nachdem wir fertig waren, war die Pause schon fast vorbei.
Die Erzieherinnen fingen an, den Raum etwas aufzuräumen. Ich nahm mir solange die Zeitung, die auf dem Tisch lag. Das tat ich immer sehr gerne, obwohl ich noch nicht lesen konnte. Dafür schaute ich mir die Bilder an und versuchte mir eine Geschichte auszudenken.
„Kannst du schon lesen?“, wollte eine Erzieherin von mir wissen, als sie bei mir stehen blieb. „Nein aber ich freue mich schon, wenn ich es kann. Ich würde gerne wissen, was die Bilder bedeuten“, stellte ich neugierig fest. „Du wirst es bestimmt schnell lernen“, meinte sie und strich mir über den Kopf.
Seitdem konnte ich mich immer zu den Erzieherinnen setzen, wenn ich das wollte. Immer wieder half ich ihnen zu basteln oder wir sprachen einfach so miteinander.
Am Ende des Tages öffneten sie für mich die Haupttüre, damit ich nach Hause gehen konnte. Die Türklinken waren immer so weit oben, dass Kinder dort nicht heran kamen.
Und jetzt? Jetzt mit neunzehn Jahren, da erreichte ich diese Klinke.

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