Donnerstag, 4. August 2016
Mädelstag
Meine Schwester Lisa und ich verstauten unsere Klamotten in einem Schließfach. Danach nahm ich den Schlüssel und wickelte ihn mit einem Band um mein Handgelenk. Das ganze Jahr über war ich noch nicht schwimmen gewesen. Selbst, als es richtig heiß wurde und alle sich nur so im Wasser tummelten. Doch an diesem Samstag sollte es endlich soweit sein: Meine große Schwester und ich machten einen „Mädelstag“.
Wir trugen bereits unsere Bikinis, als wir den Gang hinunter liefen und uns unsere Handtücher über die Schultern warfen. Lisa hatte eher einen schlichten, schwarzen Bikini an, der nur dezente Steine an den Seiten hatte. Es passte zu ihr, denn sie war eher eine kleine, zierliche Person. Ihre schwarzen Haare trug sie nach oben gesteckt. Zugegeben, mein Bikini stach wirklich aus der Menge hervor.
Es war ein dunkelblauer mit weißen Verzierungen. Ich hatte ihn vor einem Jahr im Urlaub gekauft. Die Verkäuferin in einem polnischen Laden meinte zu mir, dass er mir perfekt stünde.
Wie auffällig dieser Bikini war, merkten wir spätestens, als wir in den großen Badebereich kamen. Plötzlich schien es uns, als würden alle auf uns starren. Sogar der Bademeister passte nicht mehr auf die Kinder auf, die sich mit Schwimm-Nudeln verprügelten. „Hab ich was im Gesicht kleben?“, fragte ich meine Schwester belustigt, die unwohl die Arme vor ihrer Brust verschränkte. „Nein, ich?“ Sie verzog das Gesicht. Ungeniert starrten die Leute weiter. Männer…in jedem Alter und tatsächlich auch Frauen. „Entweder sind wir unheimlich hässlich oder schrecklich hübsch“, flüsterte Lisa, als wir an dem großen Becken mit dem warmen Salzwasser vorbei liefen. Ich befestigte noch eine Spange in meinen Haaren, damit mein Dutt nicht auseinander fallen konnte. „Ich hoffe, dass wir hässlich sind. Ich hab keinen Bock angemacht zu werden“, sagte ich achselzuckend und ging langsam ins Wasser. Man konnte im Gebäude rein gehen und von da aus in den Außenbereich schwimmen. Das Wasser war salzig und angenehm warm. Bei jedem Wetter super, außer wenn es zu heiß ist.
Lisa folgte mir und dann begann unser Wellness-Tag. (…)
Der Tag verlief echt gut. Wir sind viel geschwommen, hatten ein leckeres Essen und haben Salzluft eingeatmet. Gegen Ende waren wir dann noch einmal in dem Außenbereich. Da ich keine besonders gute Schwimmerin war, setzten wir uns auf eine kleine Anhebung im Becken. Das Wasser drückte unsere Körper nach oben. So schwebten wir am Rand und unterhielten uns über dies und jenes. Bis meine Schwester über meine Schulter hinweg sah und mit den Augen rollte. „Oh, nein“, meinte sie missmutig. Unauffällig drehte ich mich leicht zur Seite. Zwei Typen, ungefähr in unserem Alter, kamen langsam aber sicher auf uns zu. Die Beiden hätten echt gute Unterwäsche-Models abgegeben. Das interessierte mich jedoch herzlich wenig. „Die werden uns ansprechen. Ich spüre das“, bemerkte ich genervt. „Bor…ne. Wie gut kannst du schwimmen?“, wollte Lisa hektisch wissen. Wir wollten einfach nicht belästigt werden. Außerdem waren wir beide in einer Beziehung. „Wie ein sterbender Hund“, gab ich zu und grinste. „Das muss reichen.“ Lisa warf sich ins Wasser und begann zu schwimmen. Seufzend folgte ich ihr, so gut es eben ging. Mehr schlecht als recht kamen wir hinter einem Stein an, welcher aus Deko-Gründen im Wasser aufgestellt wurde. Vorsichtig spähte ich an dem Stein vorbei. Die beiden Jungs waren jetzt an dem Ort, an dem wir vor wenigen Minuten gesessen hatten. Sie sahen sich verwirrt im Becken um. Suchten die uns? „Wir können nicht die ganze Zeit weg schwimmen. Wenn die uns sehen, kommen die sowieso hierhin. Ich regel das einfach“, sagte ich entschieden und lächelte Lisa an. Die schaute ebenfalls an dem Stein vorbei. „Sie gucken! Tauchen!“, wies mich Lisa an und zog mich an den Schultern unter Wasser. (…)
Lachend kletterte meine Schwester aus dem Becken und reichte mir ihre Hand. Benommen nahm ich sie und zog mich ebenfalls nach oben. Ihre Augen waren gerötet, wahrscheinlich so wie meine. Ich ließ meine Zunge raushängen, weil alles in meinem Mund nach Salz schmeckte. Durch ihre plötzliche Tauch-Aktion hatte ich nicht die Zeit gehabt Mund und Augen zu schließen. „Wir brauchen definitiv ein Code-Wort für diese Aktionen. Echt, ich habe bestimmt ein Liter Wasser getrunken und meine Augen brennen, als hätte jemand die Anwendung von Nagellackentferner falsch verstanden und mir das Zeug direkt in die Augen gekippt!“, jammerte ich und spuckte in den Mülleimer neben uns. Es brachte logischerweise nichts. „Das war doch lustig! Immerhin haben die Jungs uns nicht angesprochen“, erwiderte Lisa und klopfte mir fröhlich auf den Rücken. Sie hatte augenscheinlich auch zu viel Wasser geschluckt, das musste es sein. „Ja, weil die dachten dass wir Wahnsinnige mit Ausgang wären!“, rief ich aus und verdrehte meine Augen. Das brannte allerdings noch mehr. Am besten, ich ließ sie mir operativ entfernen. Da hätte ich mich lieber mit so ein paar Spinnern auseinander gesetzt. (…)
Nachdem wir uns wieder unsere normalen Klamotten angezogen hatten, brachte ich meine Schwester nach Hause. Tage mit ihr brachten mich immer wieder auf andere Gedanken. Es tat gut, echt zu lachen. (…)
Ich dachte, so ein Wellness-Tag würde so gut tun, dass ich wenigstens für einen Abend keine Schmerzen mehr verspüren würde. Doch ich wurde schnell eines Besseren belehrt, als ich abends heulend im Bett lag und mich krampfhaft am Magen festhielt. (…)

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