Montag, 21. November 2016
Pure Qual
,,Die Blutlinie der Propheten...die Blutlinie der Propheten...du wirst leiden, leiden, leiden. So, wie Esau wegen Jakob gelitten hat. So, wie die Sünder in Sodom und Gomorra gelitten haben. So, wie Jesus gelitten hat. Leiden!", flüsterte die tiefe Stimme energisch. Ich öffnete meine Augen und wusste sofort, dass ich wach war. Ich wusste aber auch sofort, dass ich wirklich leiden würde. Jetzt in diesem Moment. Ein furchtbarer Stich in der Magengrube ließ mich zusammenzucken. Stöhnend vor Schmerzen erhob ich mich aus meinem Bett, doch dann ein erneuter Stich. Meine Finger krallten sich in den Stoff meines Oberteils, während ich kaum noch Luft bekam. Alles... jeder Fortschritt der letzten Wochen war vergessen. Das Leid hörte nicht auf. Es würde niemals aufhören. Mit letzter Kraft drückte ich mich an der Matratze hoch. Ich wollte stärker sein, als der Schmerz, der meine Knochen durchzuckte. Doch ich gab nach, denn es fühlte sich an, als würde ich verbrennen. Als hätte man mir ein Speer in die Brust gerammt und mich anschließend im Feuer zurück gelassen. Schmerzerfüllt schrie ich auf...wünschte, ich würde einfach ohnmächtig werden. Meine Augen brannten bereits vor Müdigkeit. Ich wusste jedoch, dass an Schlaf nun nicht mehr zu denken war.
Mir wurde übel und ich nahm meine letzte Kraft und torkelte durch die Dunkelheit, damit ich es nur rechtzeitig zur Toilette schaffte. Kaum angekommen erbrach ich mich. Danach durchzuckte mich der Schmerz weiter. Ich ließ mich auf den Teppich im Badezimmer fallen und schloss meine Augen. Womit? Womit hätte ich dieses Leid verdient? Was hatte ich zu begleichen? Was für ein Fluch lastete auf meiner Seele?
Kein Arzt konnte mir mehr helfen.
Ich war verloren in meiner eigenen, kleinen Hölle.
Die Schmerzen hörten nicht auf. Hätte ich in diesem Moment eine Waffe gehabt, ich hätte sie gegen meinen Schädel gerichtet.
Mein Leben drehte sich vehement im Kreis. Es waren immer die selben Probleme, mit den selben Leuten. Ich suchte nach wie vor nach Antworten und besonders nach Liebe.
Noch am Abend zuvor hatte ich in der Bibel gelesen und gedacht, vielleicht würde es mir neue Kraft geben.
Netter Versuch. Mir wurde schrecklich kalt, sodass ich zitterte. Die Kälte kroch durch meine Hautschichten und machte die Situation nicht leichter.
Plötzlich musste ich an Marvin denken, an meine Ausbildung und meine Zukunft. Wie würde ich so ein Leben führen können? Ich konnte Marvin keine Normalität, kein unbeschwertes Leben bieten. Ich konnte nicht garantieren, ob ich trotz der Schmerzen zur Arbeit würde erscheinen können. Ich konnte nicht sagen, ob ich jemals Glück finden würde, mit dieser Qual.
Mein Körper war zu schwach...und ich wusste nicht, wie ich das ändern konnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit rappelte ich mich auf. Die Schmerzen waren immer noch stark, aber auszuhalten. Ich schleppte mich ins Bett, saß dort und betete, Gott würde mich einschlafen lassen.

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