Freitag, 12. Februar 2016
Rückblick
Rückblick.

"Bist du dir sicher? Wenn die Haare einmal ab sind, dann war´s das", stellte der Friseur ernst fest und hielt ein langes Stück meiner Haare in der einen und eine Schere in der anderen Hand. Ich tat es wirklich!
"Mach einfach ganz schnell!", sagte ich nervös und kniff mir die Augen zu. Es waren zwar nur Haare aber heute sollte ein neuer Lebensabschnitt beginnen. Ein Lebensabschnitt, indem ich diejenige sein sollte, die zuletzt lacht. Dana saß neben mir und schaute mich freudig an, denn sie hatte mich dazu überredet. Als ich meine Augen wieder öffnete, konnte ich ihre aufgeregten mintgrünen Augen sehen. Sie war wunderschön. Am meisten liebte ich ihre naturroten, lockigen Haare, die ihr bis zur Mitte ihres Rückens gingen. "Ich fange jetzt an zu schneiden", verkündete der Friseur und gab mir somit die letzte Chance, abzubrechen. Ich kniff die Augen wieder zu und merkte, wie er mir meine Haare abschnitt, bis sie nur einige cm lang waren. Als ich mich im Spiegel ansah, stellte ich fest, dass mir radikal kurze Haare tatsächlich standen. Dana sah mich mit großen Augen an. "Ich würde sagen, da fehlt nur noch der Sidecut", bemerkte sie glücklich und zwinkerte mir zu.
Ich schaute zurück in den Spiegel und stellte mir vor, wie das wohl aussehen würde. Ich würde auf jeden Fall sehr frech aussehen. "Meinst du echt?", fragte ich meine Freundin unsicher. "Klar, du hast grade ne Trennung hinter dir, die ziemlich krass war. Im Regelbuch für Exfreundinnen steht, danach braucht man eine Typveränderung", zwinkerte sie mir zu und lachte.
Der Friseur, der alles mitgehört hatte, schaute mich fragend an. Ich konnte nicht fassen, was ich grade tat. "Rasierer, bitte."

Es war Abend und Dana und ich liefen durch die Straßen. Seit zwei Stunden, hatte ich schon diese echt kurze Frisur mit dem Sidecut aber ich musste mich immer noch in jedem Autospiegel begutachten. Erstens, weil ich nicht fassen konnte, dass ich es wirklich gemacht hatte und zweitens, weil ich es ganz hübsch fand.
"Kommst du heute Nacht mit?", fragte mich Dana schließlich, als wir in eine Nebenstraße einbogen, die direkt zu einem Drogeriemarkt führte. Die Dämmerung setzte langsam an und ein kühler Wind lies mich frösteln. "Dana, ich halte das für keine gute Idee. Ehrlich gesagt habe ich da auch Angst vor. Man spielt nicht mit sowas", ermahnte ich zum gefühlten tausendsten Mal. "Was soll da schon passieren? Außerdem sind wir nicht alleine. Paar Jungs kommen auch mit", versicherte sie mir zuversichtlich. Sie würde nicht nachgeben.
"Welche Jungs hast du diesmal überredet?", fragte ich etwas genervt, weil ich wirklich genug hatte vom anderen Geschlecht.
"Noah und sein Cousin Jonah wollten mitmachen", sagte Dana und sah mich dabei absichtlich nicht an. Sie wusste, dass ich jetzt sauer sein würde. "Noah? Ist das nicht der beste Freund von IHM?", fragte ich abfällig und hatte jetzt noch weniger Lust mitzukommen. Noah, der beste Freund von meinem Exfreund. Super Voraussetzungen! "Ja aber die haben sowieso keinen Kontakt mehr miteinander, seitdem die eine Sache damals passiert ist", stellte sie nüchtern fest und sah mich flehend an.
"Die eine Sache damals", dabei handelte es sich um meinen Exfreund, der mich damals behandelte, wie den letzten Dreck. Noah und er? Sie waren wie Brüder und deshalb wollte ich ihn einfach nicht sehen.
Ich kickte einen Stein über die Straße und blieb nachdenklich stehen. Dana drehte sich zu mir um und sah mich fragend an. "Weißt du was? Die Frisur ist echt cool aber die Farbe passt nicht", sagte ich entschlossen und ging geradewegs auf den Drogeriemarkt zu.

Ich konnte nicht fassen, dass Dana mich tatsächlich dazu überredet hat.
Es war mitten in der Nacht und wir liefen durch einen einsamen Wald irgendwo in der Pampa.
Ohne Taschenlampen hätte man wahrscheinlich gar nichts mehr gesehen, so dunkel war es dort.
Dana und Jonah liefen voraus, während Noah dicht hinter mir blieb und mir noch mehr Angst machte, als der Wald. Er gehörte zum Feind, das stand fest und ich konnte ihm nicht vertrauen.
"Selbst im dunkeln leuchten deine Haare", bemerkte Noah lachend und kam neben mich. Ich sah ihn wütend an und zeigte ihm meinen schwarz lackierten Mittelfinger. Ich musste jedoch zugeben, dass er recht hatte. Meine Haare waren nicht nur radikal kurz, sondern auch feuerrot. Meine hellbraune Naturhaarfarbe hatte sich vor ca. einer Stunde verabschiedet. Mir gefiel aber das Ergebnis, es veränderte mich.
"Selbst im dunkeln bist du ein Arschloch", gab ich zurück und beschleunigte meinen Gang.
Plötzlich hörte der Wald auf und wir standen vor einem alten Grundstück. "Wir sind da!", rief Dana aus und deutete auf ein altes Haus. Nein, eine alte Ruine. "Da gehe ich nicht rein", sagte ich sofort und blieb stehen. Wahrscheinlich hatte ich zu viele Horrorfilme gesehen aber ich hatte panische Angst vor diesem Haus. Dana ignorierte mich und ging durch das Loch, was ursprünglich mal eine Türe gewesen sein musste. Das Haus sah aus, als würde es gleich zusammenfallen. "Die ist verrückt", lachte Jonah und folgte ihr. Nur ich machte einige Schritte zurück. "Hast du Angst Pumuckl?", fragte mich Noah und lachte. Was nahm der sich raus? "Ja, die gleiche Luft zu atmen wie du!", zischte ich. Er steckte beide Hände in seine Hosentaschen und lehnte sich an die Wand, neben dem Eingang. "Ladys first."
Ich hasste ihn.
Doch ich nahm meinen Mut zusammen und ging hinein. Es war stockdunkel aber Dana hatte schon einige Kerzen aufgestellt, die den Raum erhellten. Es war eiskalt und man sah nichts, außer Betonwände, die aussahen, als hätten sie schon beim ersten Weltkrieg dort gestanden. Jonah kramte in Danas Rucksack und holte das Ouija-Brett heraus. Ich hätte nicht herkommen sollen. Ich ging Rückwärts wieder Richtung Ausgang und knallte gegen Noah. "Du hast Angst", sagte er so leise, dass nur ich es hören konnte. In seinem Ton, war keine Spur Belustigung. Es war etwas anderes. Sorge?
Dana streute einen Salzkreis um das Brett und kniete sich hin. Jonah tat es ihr gleich und auch Noah ging in Richtung Brett. Ich fühlte mich unglaublich schlecht, als ich mich zu ihnen kniete und meinen Finger auf ein Glas legte.

Damals, da konnte ich Noah nicht leiden.
Doch meine Gefühle zu ihm änderten sich, wie meine Haare es nach einigen Monaten taten. Sie wurden länger und brünett. Sie wurden schöner und stärker, als jemals zuvor.

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