Sonntag, 14. Februar 2016
Valentinstag
Es war auch ein Valentinstag...
Es hatte mich erwischt. Meine Nase lief, wie ein Wasserfall, meine Augen waren angeschwollen und ich hatte Fieber. Es war auf jeden Fall nachvollziehbar, dass ich nicht in ein schickes Restaurant gehen wollte, geschweige denn sonst irgendwo hin.
Es machte sowieso den Eindruck, dass Eric auch nirgendwo hingehen wollte. Ohne Umschweife sagte er, er ginge zu Freunden und damit war das Thema auch schon beendet.
So hatte ich mir den Tag nicht vorgestellt. Ich zog mir eine dicke Jogginghose an und einen grauen Kapuzenpullover. Langsam trottete ich in das Bad, um mir meine Haare zu einem Zopf zu binden. Ich sah wirklich krank aus.
Nachdem ich mir Tee gemacht hatte, kuschelte ich mich zurück in meine Decke und begriff.
Eric bot nicht mal an, kurz zu mir zu kommen und sich um mich zu kümmern. Er wollte sofort mit Freunden weg, als wenn das schon so geplant gewesen wäre. Ich griff nach meinem Handy und checkte sein Facebook-Profil. Möglicherweise war das etwas paranoid aber ich schob es auf das Fieber.
Dabei stellte ich zu meinem entsetzen fest, dass er mit Mädchen weg ging. Der Tag wurde ja immer besser!
Ich schmiss mein Handy ans andere Ende des Bettes und drückte mein Gesicht auf das Kissen.
Meine Beziehung war zum Scheitern verurteilt. Er veränderte sich immer mehr und ich konnte es nicht aufhalten. Warum auch? Er war alt genug um zu entscheiden, was für ein Leben er führen wollte.
Mein Handy klingelte und für einen Moment hatte ich Hoffnung, er würde doch noch vorbei kommen.
Das Display zeigte jedoch einen anderen Namen...Noah.
"Und in welches Restaurant geht ihr?", fragte er mich ohne umschweife. "In ein fünf Sterne Restaurant. Was denkst du denn?", antwortete ich verschnupft und zog die Nase hoch.
"Hast du die Pest?", fragte er belustigt, was mir ein lächeln ins Gesicht zauberte. "Ja, sieht wohl so aus. Ich stehe anscheinend unter Quarantäne...also gibt es heute kein Date", erklärte ich hörbar enttäuscht und musste husten. Für einige Sekunden war es Still am anderen Ende der Leitung. "Soll das heißen...du bist alleine? Er hat dich alleine gelassen?", fragte er abfällig. Musste er mir das jetzt unter die Nase reiben? Ja, es war eine scheiß Aktion und es verletzte mich auch aber ich war nun mal krank. Vielleicht wollte er sich einfach nicht anstecken...
"Moment", hauchte ich in den Hörer und legte mein Handy auf meinen Schoss. Meine Nase lief und ich griff nach den Taschentüchern auf meinem kleinen Nachttisch. Nachdem ich meine Nase fertig geputzt hatte, warf ich die Rotzfahne in den Mülleimer neben meinem Bett und hielt mir wieder das Handy ans Ohr.
"Hat sich ja lecker angehört...macht es dir was aus, wenn ich komme?", fragte Noah leise. Machte es mir was aus? Ich schaute auf die Uhr an meinem Fernseher...es war erst Mittag und ich langweilte mich schon zu Tode. Ich hasste es krank zu sein, denn das war immer so langweilig!
Und ein gutes Buch hatte ich auch nicht mehr...
"Gut aber beschwer dich dann nicht, wenn du dich ansteckst", sagte ich kichernd und wir legten auf.

Nach einer Stunde klingelte es an der Türe. Ich stand auf und warf einen letzten Blick in den Spiegel, der an meiner Zimmertüre hing. So schlimm sah ich nicht aus, krank eben.
Die Wohnung, in der meine Großeltern und ich wohnten, war zwar etwas klein aber ich liebte sie.
Wir wohnten noch nicht so lange hier, deshalb waren die Möbel neu und die Wohnung sah aus, wie eine Vorzeigewohnung von Ikea.
Ich öffnete die Türe und kurze Zeit später stand Noah vor mir und er hatte einen großen Stoffbeutel dabei.
Er trug ein graues Oberteil, was sich über seine breite Brust spannte und eine schwarze Jeans. Es schien zu regnen, denn seine dunkelbraunen Haare waren feucht. Er grinste mich wie immer an.
Nachdem er seine Chucks ausgezogen hatte, führte er mich in unsere große Küche. "Wo sind deine Großeltern?", wollte er wissen uns sah sich symbolisch um. "Die übernachten heute bei Freunden. Ich sag ja, ich stehe unter Quarantäne", sagte ich durch die Nase.
Er legte den Beutel auf einen Küchenstuhl und fing an, auszupacken.
"Ich konnte nicht mit leeren Händen auftauchen, immerhin ist heute Valentinstag. Also...ich habe hier Nasentropfen, Tabletten gegen Halsschmerzen und Fieber, ne DVD, eine Suppe und ich wusste nicht, was du liest aber das Buch sah interessant aus", stellte er fest und reichte mir einen dicken Roman, während er den Rest auf dem Esstisch stapelte. Tränen der Rührung bildeten sich in meinen ohnehin feuchten Augen und ich betrachtete das Buch in meinen Händen. "Die Last der Schuld"...das sah auf jeden Fall interessant aus.
"Ich weiß nicht, was ich sagen soll...danke", flüsterte ich echt dankbar. Ich kannte so etwas nicht. Es war mir neu, dass einfach jemand da war und sich Gedanken über mich machte und dafür sorgte, das es mir besser ging. Trotzdem war ich verwirrt. Ich habe Noah anders kennengelernt und kannte ihn nicht so...fürsorglich. Ich wusste nicht, ob er das nicht nur spielte, um mich rum zu kriegen. "Du könntest mich einfach küssen...das wäre schon mega geil", bemerke er verführerisch und seine blauen Augen strahlten. Fassungslos starrte ich auf seine Lippen. Kurz dachte ich ernsthaft darüber nach. Was war bloß los mit mir? "Erstens bin ich in einer Beziehung und mache sowas nicht...und zweitens habe ich die Pest und meine Lippen tun selbst beim reden weh. Also willst du mich nicht wirklich küssen. Außerdem dachte ich du bist einfach so nett, ohne Hintergedanken aber da war ich wohl wieder zu naiv", meinte ich etwas beleidigt und rollte mit den Augen. "Ist ja gut", lachte er und half mir, die Sachen in mein Zimmer zu bringen.

Zuerst schauten wir uns die DVD an, die Noah mitgebracht hatte. Es war zum Glück ein Horrorfilm, denn die liebte ich und sie lenkten mich jedes Mal ab.
Nach dem Film, blieb ich unter meiner Decke und fing an, meinen neuen Roman zu lesen.
Noah stand auf und ging in die Küche, um mir die Suppe zu machen.
Wir verbrachten den ganzen Tag miteinander und ich konnte vergessen, wie verletzt ich eigentlich war.
Mir wurde bewusst, wie unglücklich mich die Beziehung machte, auch wenn ich meinen Freund liebte. Manchmal reichte Liebe allein nicht aus...auch wenn man sich das noch so sehr wünschte.
Wie sehr hätte ich mir gewünscht, dass mein Freund auf die Idee gekommen wäre bei mir vorbei zu schauen und all die Dinge zu machen, die Noah gemacht hatte.
Ich brauchte keine teuren Geschenke oder sowas in der Art. Was ich wirklich brauchte war jemand, der gegen meine Sturheit kämpfte und für mich da war, in jeder Situation. Wenn es zu viel verlangt war, dann war die Liebe einfach nicht stark genug...
Ach ja und was ich noch brauchte, war ein Buch. Ein Buch brauchte ich wirklich immer!

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