Mittwoch, 14. Dezember 2016
Weihnachtsmarkt
Das Ticken verriet mir, dass mein Motor dabei war sich abzukühlen. Wieso saß ich überhaupt solange in meinem Auto? Es war doch nichts dabei sich wieder mit alten Freunden zu treffen. Eine innere Grenze sagte mir jedoch, es wäre was dabei. Monatelang hatte ich es durchgezogen, eine sehr schlechte Freundin zu sein und jetzt stand ich plötzlich wieder auf der Matte. Langsam öffnete ich die Autotür und ein kalter, abendlicher Wind wehte mir ins Gesicht. Mittlerweile wünschte ich mir, ich hätte mir eine Mütze und Handschuhe angezogen.
Ich brauchte nicht klingeln, denn die Haustür war nur angelehnt. Erst an der Wohnungstür kam ich nicht drum herum. Zögernd drückte ich meinen Zeigefinger auf die Klingel und wartete ab.
Nach wenigen Sekunden öffnete Dana die Tür und grinste von einem Ohr zum anderen. „Ich wusste doch, dass du kommst“, freute sie sich. Sie trug eine dunkelblaue Jeans und einen weißen, schlichten Pullover. Ihre roten, lockigen Haare waren zu einem Dutt zusammen gesteckt. „Was blieb mir anderes übrig, bei den unzähligen Nachrichten, die du mir immer schickst?“, erwiderte ich grinsend und zuckte mit den Achseln. Als ich den Flur betrat roch ich es direkt. Es roch nach Zimt und Vanille. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, warf sie einen Blick in Richtung Küche. „Wir wollen später backen. Deshalb hab ich alles vorbereitet“, sagte sie glücklich.
Aus dem Wohnzimmer war männliches Gelächter zu hören. Sofort zog sich mein Magen zusammen. „Weiß er, dass ich komme? Ich will keine alten Wunden aufreißen“, flüsterte ich unbehaglich. „Nö, aber er findet sich sicher damit ab. Schließlich haben wir bald Weihnachten“, zwinkerte mir Dana zu und ging in das Wohnzimmer. Missmutig zog ich mir Jacke und Schal aus und verstaute die Sachen in der kleinen Kammer, in der alle Schuhe und Jacken hingen. Danach hörte ich Nicks Stimme fragen: „Wir müssen diese Mützen nicht ernsthaft aufziehen oder? Und für wen ist die fünfte Mütze? Ich hab dir doch gesagt, dass Leonie nicht kann.“
Mir graute es davor, ihn wiederzusehen und plötzlich bekam ich auch Angst vor besagter Mütze. „Ach, die Mütze! Die ist für…“, ich hörte Dana auf einen Tisch trommeln. Ich fing automatisch an zu grinsen, weil Dana aus allem eine große Sache machte. Als ich das Wohnzimmer betrat, fiel mein erster Blick auf den riesigen, perfekt geschmückten Weihnachtsbaum in der Ecke. Danach richtete sich mein Blick auf die Weihnachtsmann-Mützen, welche die Köpfe der Jungs schmückten. Sofort begann ich loszuprusten. Dana stieg in mein Lachen mit ein. „Leider Gottes ist die fünfte Mütze wahrscheinlich für mich“, kicherte ich, als ich mich einigermaßen gefangen hatte. Jonah und Nick grinsten um die Wette, während Noahs Miene ernster wurde. Damit hatte ich gerechnet, wirklich.
„Nur so kommt man in Weihnachtsstimmung!“, sagte Dana und reichte mir eine rote Mütze. Anschließend löste sie das Haarband aus ihren Haaren, sodass diese auf ihren Rücken fielen, um sich selbst eine Mütze anziehen zu können. „Willkommen zu Hause!“, begrüßte mich Jonah und sprang auf. Er nahm mich kurz in den Arm und nahm danach die Mütze von seinem Kopf.
Stolz bückte er sich, um mir seine neue Frisur zu zeigen. Er hatte sich seitlich die Haare schneiden lassen. Dadurch wirkte sein Gesicht viel maskuliner, als vorher. „Was sagst du, Chefin?“, fragte er mich gut gelaunt. „Steht dir. Sieht cool aus“, meinte ich ehrlich und streckte ihm die Faust hin. Er ließ seine Faust leicht gegen meine knallen und grinste Noah an. „Sei doch froh, dass sie wieder hier ist. Dann jammerst du uns wenigstens nicht die Ohren voll“, sagte Jonah an seinen Cousin gewandt. Noah verdrehte die Augen, während Nick anfing leise zu lachen.
„So, da wir fast komplett sind…wie wäre es, wenn wir auf den Weihnachtsmarkt gehen und Glühwein trinken?“, schlug Dana begeistert vor. Jonah schnappte sich sein Handy und trällerte fröhlich Weihnachtslieder. Man hätte meinen können, dass er schon angetrunken war. „Gegen Alkohol hab ich nie was, Baby“, stimmte Nick zu.
„Gut, dann ziehen sich jetzt alle an und wir nehmen jetzt die Bahn!“, befahl Dana und klatschte in die Hände. Jonah und Nick gingen sofort in den Flur und zogen sich an. Dana kam zu mir und legte mir einen Arm um meine Schultern. „Einen Glühwein?“, fragte sie mich, denn sie wusste, dass ich mich von Alkohol distanzieren wollte. „Ja, nur einen“, sagte ich mehr zu mir selbst, als zu ihr. (…)
Auf dem Weihnachtsmarkt war eine Menge los aber nach längerem Suchen fanden wir einen gemütlichen Platz in einer Hütte, in der sie Glühwein anboten.
Natürlich zu einem unverschämten Preis. Dana hatte uns gezwungen, die Mützen aufzubehalten. Was für die Jungs wesentlich schlimmer schien, als für mich. So war mir wenigstens etwas wärmer um die Ohren.
Dana und Nick gingen zum Tresen, um uns jeweils einen Glühwein zu holen. Währenddessen schaute sich Jonah in der Hütte nach Mädchen um. „Was meint ihr? Welche ist bereit für mich?“, fragte er, ohne Noah oder mich anzusehen. Jonah war echt unverbesserlich. „Bereit für dich?“, hakte ich belustigt nach. „Für was denn bereit? Für deine neue Soldaten-Frisur?“ Er funkelte mich gespielt beleidigt an. „Haylie, wir wissen beide, dass es für uns keine Zukunft gibt, also hör auf zu flirten!“, witzelte er. „Alter, die Weiber hier drin sind alle besoffen. Du kannst hier jede haben“, meldete sich Noah genervt zu Wort.
Super, das war sein erster Satz an dem Abend. Tatsächlich schienen in dieser Holzhütte alle mindestens zwei Glühweingläser hinter sich zu haben. Das lautstarke Gelächter konnte keine nüchterne Basis besitzen. „Auch mit der Mütze?“, fragte Jonah und zeigte auf seinen Kopf. „Also ich finde die Mütze süß“, antwortete ich und lehnte mich gegen den Holztisch vor uns. Noah zog eine Augenbraue hoch und sah mich nicht mehr unfreundlich, sondern belustigt an. „Du findest auch *Daryl Dixon* süß“, stellte er fest. Jetzt spielte er auch noch auf meine Lieblingsserie an. „Ach, wisst ihr was? Ich probier es einfach bei der hübschen Blonden da drüben“, entschied sich Jonah und verschwand. „Er ist ja auch süß, also charakterlich“, verteidigte ich einen meiner Lieblingscharaktere der Serie. „Ist klar, Sparkly“, meinte Noah und boxte mich leicht gegen die Schulter. Dana und Nick kamen mit unseren Glühweingläsern zurück und stellten sie vor uns auf den Tisch. „Na, gibt’s was Neues?“, wollte Dana wissen. „Jonah ist ein Idiot“, sprachen Noah und ich, wie aus einem Mund.

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