Dienstag, 17. Mai 2016
dunkles Kapitel
Es heißt, zum Erwachsen werden gehört es, auch Fehler zu machen. Ich denke, um Erwachsen zu werden muss man Fehler machen. Ich rede nicht gerne über meine Fehler des Lebens aber wer tut das schon? Manchmal schämt man sich für die Fehler und man kann nicht begreifen, was man getan hat. Leider ist es mir nie vergönnt gewesen, dass meine Fehler von der Bildfläche verschwinden. Meine Vergangenheit taucht immer wieder in der Gegenwart auf.
Ich habe viele Fehler gemacht, als ich auf der Suche nach der großen Liebe gewesen bin. Oft wurde ich verletzt aber ich habe auch oft verletzt. Zu den dunkelsten Kapiteln meiner Beziehungen gehört Markus. Er gehört zu den dunkelsten Kapiteln, weil ich in dieser Beziehung ein ganz anderer Mensch war. Das Leben hatte mich bis zu diesem Zeitpunkt gezeichnet und es schien, als hätte ich jedes Gefühl verloren.
Ich kann mich noch genau an die Party erinnern, auf der ich ihn treffen sollte. Eigentlich kannte ich nicht mal die Gastgeberin oder das Haus, indem ich mich befand. Mir war schleierhaft, wie ich überhaupt zu dieser Party gekommen bin. Ich war einfach da. Ich wollte nicht mehr alleine sein. Die Party fand im Keller statt und sie machte eine Menge Spaß. Es gab nichts auszusetzen. Sowieso war ich für jede Ablenkung des Alltags dankbar. Dann traf ich ihn…Markus. Wir kamen spontan ins Gespräch und ich verstand mich gut mit ihm. Es dauerte nicht lange, da wurden wir ein Paar. Vorab soll gesagt sein, dass er ein sehr guter Freund war. Er war immer zur Stelle und hat sich wunderbar um mich gekümmert. Seine Familie nahm mich herzlich auf und ich war fast jeden Tag bei ihnen. Doch wir waren zwei ganz unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Leben. Es war, als würden zwei Welten aufeinander prallen, jedes Mal wenn wir uns sahen. Mir wurde immer mehr bewusst, dass ich ihn nicht liebte. Ich mochte ihn, als Freund. Er war ein guter Mensch. Aber für eine Beziehung reichte es nicht. Jetzt kommt der Fehler: Ich wusste dies von Anfang an. Dennoch führte ich diese Beziehung weiter, so als wäre alles perfekt. Lügen ist eine Sache aber bei Gefühlen zu Lügen, ist das Schlimmste was man tun kann. Ich tat es. Die Angst vor der Einsamkeit trieb mich immer weiter. Also nahm ich von ihm jede Aufmerksamkeit die ich kriegen konnte. Irgendwann merkte ich jedoch, dass ich ihn nicht glücklich machen konnte. Es war schwer für mich zuzugeben, dass es keinen Sinn machte. Wie aus dem Koma erwacht, nahm ich all meinen Mut zusammen und suchte das Gespräch mit ihm. Das war das fairste, was ich machen konnte. Natürlich wurde er sauer und natürlich hasste er mich. Doch hatte ich es anders verdient?
Aus der Geschichte mit Markus habe ich gelernt, nie wieder zu lügen, wenn es um Gefühle geht. Ich wollte niemals, dass es so endet. Bis heute bereue ich es, soweit gegangen zu sein. Wäre ich von Anfang an ehrlich gewesen, vielleicht wären wir dann heute noch Freunde.

Während ich auf dem Boden meines Zimmers saß und so über das dunkle Kapitel nachdachte, klingelte mein Handy. Wie üblich, war die Nummer unterdrückt. Schon seit Tagen terrorisierte mich jemand mit Anrufen. Ich konnte mir denken, wer es war. Als ich einmal abhob, konnte ich Markus Stimme erkennen. Wollte er sich jetzt rächen, nach all der Zeit? Dabei hatte ich mich für alles entschuldigt. Womöglich halfen Entschuldigungen manchmal einfach nicht. Luna, mein Kaninchen, hüpfte grade aus dem Käfig und auf meinen Schoss. Ich drückte den Anruf weg und betete, er würde mich endlich in Ruhe lassen. Wie ich es hasste, wenn die Vergangenheit auftauchte. Als ich das letzte Mal mit Markus sprach, hatte ich versucht so nett und höflich, wie nur möglich zu sein. Es brachte nichts. Luna, die immer noch auf meinem Schoss saß, stellte sich auf ihre Hinterbeine und streckte ihren Kopf an meine Nase. „Was mache ich denn jetzt?“, fragte ich die Kaninchendame, ohne eine Antwort zu erwarten. Schon wieder klingelte mein Handy und ich bekam eine Gänsehaut. Ich drückte die Nummer erneut weg und rief schnell jemanden an. Erleichtert atmete ich auf, als Danas Stimme am anderen Ende der Leitung zu hören war. Ich erklärte ihr meine Situation mit bebender Stimme. „Beruhig dich, jeder macht doch mal Fehler. Und du warst doch nett zu ihm“, bemerkte Dana locker. Ja, Nettigkeit ist aber nicht alles! „Schon, aber das brachte auch nichts. Was will der denn jetzt von mir? Ich habe mich doch entschuldigt und von mir aus, hätten wir Freunde bleiben können“, sagte ich verzweifelt und merkte im selben Moment, wie doof der Vorschlag gewesen wäre. „Wenn er nicht aufhört dich anzurufen, hat er echt keine Hobbies. Hast du ihm eine Freundschaft angeboten?“, wollte Dana neugierig wissen. „Nicht direkt. Das wäre genauso wie, wenn man sagen würde: dein Hund ist tot aber du kannst ihn trotzdem behalten“, stellte ich fest und atmete durch. „Ich habe die Scheiße gemacht und jetzt versucht er…was auch immer.“ Für kurze Zeit herrschte Stille. „Also, er kann ja schlecht durchs Handy kommen und dich umbringen. Bleib jetzt ruhig. Solange er dich nicht weiter belästigt ist alles in Ordnung. Vielleicht erlaubt er sich nur einen Scherz und will dich ärgern“, mutmaßte Dana schließlich. Wieso machte ich mich so verrückt? „Ich bin ziemlich paranoid geworden, seitdem das mit Kürsad passiert ist“, flüsterte ich angespannt. Schon immer plagten mich die Sorgen der Vergangenheit. Luna blieb während des ganzen Gesprächs auf meinem Schoss sitzen. Ich trug bereits meine Schlafshorts und ein graues Top. Müde lehnte ich mich gegen meine Bettkante und versuchte mich zu beruhigen. „Du hattest eben meistens nur Pech in der Liebe“, sagte Dana irgendwann. „Du brauchst dich auch für deine Fehler nicht schämen. Sowas passiert.“ Sie hatte Recht aber das machte die Sache nicht besser. Wieso meldete Markus sich wieder bei mir? Was hatte er vor? Dachte ich zu viel darüber nach? Wahrscheinlich. Aber bei meiner Vorgeschichte reichte ein anonymer Anruf und ich drehte völlig durch. „Weiß Noah davon?“, hörte ich Dana fragen. Langsam kam ich wieder zu mir. „Ehm…nein“, gab ich zögernd zu. „Er soll nicht immer für meine Fehler büßen. Wenn was passiert, regel ich das alleine.“ Dana atmete hörbar aus. „Du weißt, wie das endet, wenn du etwas alleine regeln möchtest“, gab sie zu bedenken. „Noch ist ja nichts passiert“, warf ich schnell ein. „Hoffen wir, dass es so bleibt“, sagte Dana dann und bald darauf legten wir auf.
Ja, um Erwachsen zu werden muss man Fehler machen. Um laufen zu lernen, muss man schließlich auch manchmal auf die Nase fliegen. Jedes Mal, wenn man etwas lernt passieren Fehler. Sie sorgen dafür, dass wir beim nächsten Mal besser auf etwas achten. Wenn wir lernen zu leben, lernen wir auch irgendwann, aus Fehlern zu lernen.

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