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Dienstag, 14. Juni 2016
Tränen
moonlight13, 03:02h
Der Fluch nahm wieder seinen Lauf. Immer, wenn ich anfing jemanden zu lieben, veränderte sich derjenige schlagartig. Kürsad, Eric…und jetzt Marvin? Natürlich fiel es mir deshalb umso schwerer Menschen zu vertrauen und ihnen all die Liebe zu zeigen, die ich in mir aufbewahrte. Marvin und ich waren jetzt drei Monate zusammen…ich hatte der Sache also eine Chance gegeben. Er hatte versprochen, sich für mich zu bessern. Zumindest was die Drogen anging. Normalerweise hätte ich nichts erwartet…vielleicht aber ein Zeichen, dass er froh war über diese drei Monate. Den halben Tag verbrachte ich im Bett und dachte über verschiedene Dinge nach. Die Schmerzen, welche mich mein halbes Leben lang schon plagten, wurden zunehmend stärker. Ich sah mich schon wieder im Krankenhaus. Dazu kam noch, dass ich schreckliche Halsschmerzen bekam. Vermutlich wurde ich auch noch so krank. Das konnte was werden! Gegen Abend versuchte ich Marvin zu erreichen, was mir jedoch nicht gelang. Generell bekam ich ein komisches Gefühl…ohne genau benennen zu können, warum. Irgendwann beschloss ich Luna, mein Kaninchen, raus zu lassen und mich anschließend ins Bett zu legen. Die Schmerzen wurden unerträglich. Ich legte mich auf mein Bett und kuschelte mein Gesicht ins Kissen. Bald darauf hüpfte Luna neben mich und legte sich ebenfalls hin. Zumindest sie ertrug meine Gesellschaft ohne zu meckern. Ich schlief ein, bis mich jemand wach schüttelte. Marvin stand im Zimmer und anhand seiner Gefühle deutete ich direkt, dass etwas nicht stimmte. Er legte seine Sachen ab und setzte sich neben mich auf das Bett. Dann saßen wir dort, stumm. Ich musste noch trainieren, damit ich mich von fremden Gefühlen nicht so beeinflussen ließ. Irgendwas, keine Ahnung was, lag in seinen Augen…ich konnte es nicht lesen. Je länger wir dort saßen, desto schlimmer wurden die Schmerzen und desto genervter wurde ich. Das Schweigen machte mich verrückt, also schaltete ich den Fernseher ein und war erleichtert, dass Fußball lief. „Kannst du mir sagen, was du hast?“, versuchte ich mein Glück. Dabei ignorierte ich den stechenden Schmerz in meiner Kehle. Er sah mich kaum an. „Keine Ahnung. Heute ist nicht mein Tag“, antwortete er stumpf. Na toll, sehr informativ. „Das muss doch einen Grund haben“, hakte ich weiter nach. Ich versuchte wenigstens eine Konversation anzufangen. Egal, wie sehr mir die Worte in der Kehle schmerzten. „Kann ich dir nicht sagen…ich weiß es nicht“, wich er aus und schaute komisch zum Bildschirm. Er log. Irgendwas wusste er aber er wollte es mir nicht sagen. Aus welchen Gründen auch immer. Ich rollte mit den Augen, beschloss aber meine Schmerzen zu ignorieren und wenigstens so zu tun, als hätte ich gute Laune. Einer von uns musste den Abend retten. Also stand ich auf und verschwand in der Küche, um ein leckeres Abendessen zu zaubern. Ich machte mein Spezial-Sandwich und brachte es ihm in mein Zimmer. Er aß stumm auf und stellte den Teller anschließend auf den Tisch. Kaum ein Wort, kaum ein Danke. Alles klar, ein Versuch war es wenigstens wert gewesen. Da stand ich schon mit höllischen Schmerzen in der Küche und dann das. Na gut, also riss ich einige Scherze, um das Eis vielleicht zu brechen. Auch wenn mir jedes Lachen weh tat und jede Bewegung…ich wollte, dass Marvin wieder der Alte wurde. Seit Tagen hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Doch nichts funktionierte. Er sprach kaum, berührte mich kaum…war gar nicht anwesend. Gegen Ende begann er zu niesen und musste seine Nase putzen. „Ich glaube ich bin krank geworden. Bestimmt, weil ich mit dem Fahrrad zu dir gefahren bin. Toll…“, jammerte er sichtlich genervt. Jetzt war ich auch noch eine Last für ihn. Keiner hatte ihn gezwungen zu mir zu fahren. Ich dachte, er würde es gerne tun…
Und so ein bisschen Schnupfen würde ihn nicht umbringen. Vielleicht war ich es einfach nicht wert. Bald darauf verschwand er. Auch als ich ihm einen selbst gebackenen Muffin in die Hand drückte, sah er mehr genervt, als dankbar aus. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, breitete sich das Loch, welches sich schon den ganzen Abend in meinem Herzen gebildet hatte, noch mehr aus. Genau an dem Tag waren wir schon drei Monate zusammen…und anstatt liebevoll mit mir zu sprechen, gab es nur Vorwürfe und Schweigen. Jeder hatte mal einen schlechten Tag aber ich hatte echt alles probiert. Vergebens. Ich ging wieder in mein Zimmer und setzte mich auf mein Bett. Ratlos und müde. Irgendwann schrieb er mir, dass er zu Hause angekommen war. Er schrieb noch, dass er Probleme mit seiner Mutter hätte und mit vielen anderen Dingen, von denen er mir nie erzählt hatte. Wieso schrieb er mir das jetzt? Wieso konnte er mir das nicht in mein Gesicht sagen? Ich hatte ihm meine ganze Vergangenheit offen gelegt, weil ich ihn liebte und ihm vertraute. Er konnte mir einfach nichts erzählen und das tat mir mehr weh, als die Abwesenheit seiner Gefühle an dem gemeinsamen Abend. Wütend pfefferte ich das Handy auf den Boden und brach zusammen. Egal, wie es ablief…gegen Ende war es immer gleich. Mein Freund fing an sich zu verändern und bald darauf war ich wieder alleine. Ich kauerte mich auf den Boden, während die Schmerzen wieder mit voller Wucht einsetzten. So weinte ich…und jede Träne hatte eine andere Bedeutung und war für einen anderen Menschen. Die erste Träne war für meine Mutter. Ich hatte es leider nicht geschafft, ihre Liebe für mich zu entlocken und ihr klar zu machen, dass sie einfach alles für mich war. Die zweite Träne war für meinen Vater. Ich weiß nicht, wo seine Seele verloren gegangen war…aber ich betete, sie würde in Frieden ruhen. Die dritte Träne war für den Rest der Familie. Wie sehr hatte ich mir gewünscht, vollkommen dazu zugehören. Die vierte Träne war für verlorene Freunde, denen ich nicht helfen konnte und die ihren Weg ohne mich weiter gehen wollten. Ich weinte weiter, unzählige Tränen. Ich dachte an Marvin, der grade dabei war sich zu verändern und genauso gefühlskalt zu werden schien, wie alle anderen, die mit mir zu tun hatten. Vielleicht stimmte es…vielleicht saugte ich die Gefühle auf, wenn ich sie las. Wie sehr wünschte ich mir, ich könnte einmal glücklich sein. Doch ich war eine lebende Bombe. Eine Naturkatastrophe. Eine Sicherheitslücke der Menschheit. An mir gab es keine Gabe, sondern nur Unglück. So lag ich auf dem Boden…die Schmerzen betäubten mich. Mein Herz schlug immer schneller. Die Wahrheit funkelte mich an, wie die Sonne das Wasser. Ja, ich hatte die Liebe gefunden. Die Suche war erfolgreich. Doch mit der Liebe kam auch die Gefahr. Die Verwundbarkeit. Die Liebe kann entweder das schönste Gefühl auf Erden sein, oder dich endgültig und vollkommen vernichten.
Und so ein bisschen Schnupfen würde ihn nicht umbringen. Vielleicht war ich es einfach nicht wert. Bald darauf verschwand er. Auch als ich ihm einen selbst gebackenen Muffin in die Hand drückte, sah er mehr genervt, als dankbar aus. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, breitete sich das Loch, welches sich schon den ganzen Abend in meinem Herzen gebildet hatte, noch mehr aus. Genau an dem Tag waren wir schon drei Monate zusammen…und anstatt liebevoll mit mir zu sprechen, gab es nur Vorwürfe und Schweigen. Jeder hatte mal einen schlechten Tag aber ich hatte echt alles probiert. Vergebens. Ich ging wieder in mein Zimmer und setzte mich auf mein Bett. Ratlos und müde. Irgendwann schrieb er mir, dass er zu Hause angekommen war. Er schrieb noch, dass er Probleme mit seiner Mutter hätte und mit vielen anderen Dingen, von denen er mir nie erzählt hatte. Wieso schrieb er mir das jetzt? Wieso konnte er mir das nicht in mein Gesicht sagen? Ich hatte ihm meine ganze Vergangenheit offen gelegt, weil ich ihn liebte und ihm vertraute. Er konnte mir einfach nichts erzählen und das tat mir mehr weh, als die Abwesenheit seiner Gefühle an dem gemeinsamen Abend. Wütend pfefferte ich das Handy auf den Boden und brach zusammen. Egal, wie es ablief…gegen Ende war es immer gleich. Mein Freund fing an sich zu verändern und bald darauf war ich wieder alleine. Ich kauerte mich auf den Boden, während die Schmerzen wieder mit voller Wucht einsetzten. So weinte ich…und jede Träne hatte eine andere Bedeutung und war für einen anderen Menschen. Die erste Träne war für meine Mutter. Ich hatte es leider nicht geschafft, ihre Liebe für mich zu entlocken und ihr klar zu machen, dass sie einfach alles für mich war. Die zweite Träne war für meinen Vater. Ich weiß nicht, wo seine Seele verloren gegangen war…aber ich betete, sie würde in Frieden ruhen. Die dritte Träne war für den Rest der Familie. Wie sehr hatte ich mir gewünscht, vollkommen dazu zugehören. Die vierte Träne war für verlorene Freunde, denen ich nicht helfen konnte und die ihren Weg ohne mich weiter gehen wollten. Ich weinte weiter, unzählige Tränen. Ich dachte an Marvin, der grade dabei war sich zu verändern und genauso gefühlskalt zu werden schien, wie alle anderen, die mit mir zu tun hatten. Vielleicht stimmte es…vielleicht saugte ich die Gefühle auf, wenn ich sie las. Wie sehr wünschte ich mir, ich könnte einmal glücklich sein. Doch ich war eine lebende Bombe. Eine Naturkatastrophe. Eine Sicherheitslücke der Menschheit. An mir gab es keine Gabe, sondern nur Unglück. So lag ich auf dem Boden…die Schmerzen betäubten mich. Mein Herz schlug immer schneller. Die Wahrheit funkelte mich an, wie die Sonne das Wasser. Ja, ich hatte die Liebe gefunden. Die Suche war erfolgreich. Doch mit der Liebe kam auch die Gefahr. Die Verwundbarkeit. Die Liebe kann entweder das schönste Gefühl auf Erden sein, oder dich endgültig und vollkommen vernichten.
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Highway
moonlight13, 02:04h
Das coole an meinem Nebenjob war, dass ich Autos fahren konnte, die ich mir hätte so nie leisten können. Mein Stiefvater war Autohändler und ab und an kam es vor, dass ich für ihn Autos abholen musste. So kam ich mal aus der Stadt und hatte reichlich Spaß dabei.
Heute war wieder einer dieser Tage, an denen ich mitfahren musste, um einen Auftrag zu erledigen. Ehrlich gesagt kannte ich mich mit Autos nicht so gut aus. Ich kannte die Marken und wusste, wie man fährt. Aber die Technik überließ ich den Jungs. Sasha, ein Mitarbeiter von meinem Stiefvater, nahm mich mit. Wir hatten eine vierstündige Autofahrt vor uns…
Es war vier Uhr am Nachmittag, als ich die Werkstatt betrat und Sasha begrüßte. Sasha hatte kurze, hellbraune Haare und grüne Augen. Jedes Mal, wenn ich ihn sah, hatte er Motoröl im Gesicht. Ein typischer Auto-Narr und perfekt für diesen Job. „Ich würde sagen, ich fahre hin. Einverstanden?“, schlug Sasha vor und schloss die Werkstatt ab. Ich nickte und steuerte den BMW an, mit dem wir dorthin fuhren. „Ich bin ready!“, hörte ich eine bekannte Stimme ausrufen. Ich drehte mich um und sah, wie Nemanja um die Ecke bog und auf uns zukam. Freudig grinste ich den alten Bekannten an. Damals, als ich für sechs Wochen in Serbien war, hatte ich den Nachbar-Jungen kennen gelernt. Er studierte dort und zu meinem Glück auch Deutsch. Er schien noch gebräunter zu sein, als ich ihn in Erinnerung hatte. Seine dunklen Haare waren etwas länger und wuschelig. „Was machst du denn hier?“, fragte ich erstaunt. „Dein Stiefvater hat mich um Hilfe gebeten. Wir müssen zwei Autos abholen“, erklärte er.
Wir holten die Autos ab und fuhren in der Nacht zurück. Die Autobahn gehörte uns. Ich konnte nicht fassen, dass ich in einem teuren Mercedes saß und fahren durfte. So machte Auto fahren wirklich Spaß! Damit uns drei nicht langweilig wurde, unterhielten wir uns mit einer Freisprechanlage. Sasha fuhr vor uns, ich in der Mitte und Nemanja hinter mir. Die Dunkelheit machte uns nichts aus. Ich bemühte mich nur, nicht allzu müde zu werden. „Na ist schon ein Unterschied mit einem Mercedes zu fahren, ne?“, fragte Sasha durch die Anlage. Man hörte sogar das Grinsen, welches er bestimmt im Gesicht hatte. Ich lachte kurz. „Hey, klar ist das geil aber sag nichts gegen mein Auto!“, warnte ich ihn spielerisch. „In Deutschland habt ihr echt super Autos“, stellte Nemanja begeistert fest. Er schaltete die Lichthupe hinter mir ein, um seine Aussage zu bekräftigen. „Hey, Jungs? Kann ich mal kurz durchziehen?“, fragte ich und zog nach links, ohne auf eine Antwort zu warten. „Wer hat denn da die Formation verlassen?“, wollte Nemanja lachend wissen. „Klar, aber höchstens 5 Kilometer, dann bremst du ab“, sagte Sasha. Grinsend trat ich auf das Gaspedal und staunte nicht schlecht, wie schnell dieser Wagen beschleunigte. Die Geschwindigkeit drückte mich etwas in den Sitz und genauso mochte ich es. Mein Auto würde bei so einer Tacho-Zahl vermutlich auseinander fallen, deshalb genoss ich es. Doch weit kam ich nicht. Eine dichte Nebelwand breitete sich über der Autobahn aus und ich bremste schon nach wenigen Kilometern ab. „Jungs, der Nebel ist heftig“, warnte ich die Beiden hinter mir. Sasha überholte mich und ich ordnete mich hinter ihm ein. „Scheiße, man sieht ja gar nichts mehr“, bemerkte Nemanja erstaunt. „Bleibt hinter mir und orientiert euch an den Seitenlinien“, hörte ich Sasha sagen. „Aber verdammt…selbst das ist schwer!“ Ich erkannte, was er meinte. Vor der Windschutzscheibe sah man nur noch weiße Wolken. Sogar die Seitenstreifen konnte man kaum erkennen. Die Rücklichter von Sashas Wagen konnte ich auch kaum erkennen. Wir bremsten stark ab und fuhren langsam weiter. „So können wir drei Tage fahren, wenn es so weiter geht“, meldete sich Nemanja zu Wort. „Hier in der Nähe ist eine Raststätte. Wir machen da Pause, bis der Nebel weg ist“, wies Sasha uns an.
Wir setzten uns in ein Bistro neben einer Tankstelle und warteten. Dabei tranken wir Kaffee, sprachen über die alte Zeit in Serbien und lachten viel. Obwohl die Sonne bald schon aufging, war ich nicht müde. So ein Road-Trip machte richtig Spaß! Wir saßen an einem Tisch und beobachteten das ein oder andere Auto, welches auf der Autobahn auftauchte und an uns vorbei raste. „Für ein Mädchen fährst du ziemlich gut“, gestand Nemanja und zwinkerte mir zu. Ich streckte ihm die Zunge raus. „Das Kompliment kann ich nur zurück geben“, konterte ich danach. Er stieß mich spielerisch gegen die Schulter. Irgendwann fuhren wir dann weiter. Der Nebel hatte sich gelichtet und es waren jetzt mehrere Autos auf den Straßen. Hinter den Bäumen, am Rand der Autobahn, konnte man sehen, wie die Sonne langsam aufging. Ein rötliches Licht erhellte den Himmel. „Seht euch den Himmel an“, hauchte ich erstaunt in die Freisprechanlage. „Wunderschön“, bestätigte Nemanja. Er fuhr immer noch hinter mir und Sasha vor mir. Sasha kannte nun einmal den Weg, deshalb dachte keiner von uns daran zu überholen und alleine weiter zu fahren. „Konzentriert euch auf die Straße, Mädels“, scherzte Sasha und lachte. „Sehr lustig, Mann“, meinte Nemanja genervt. So fuhren wir weiter. Es gab nur uns und die Straße. Das Geräusch des Motors beruhigte mich immer mehr. Wenn ich Auto fuhr, konnte ich den ganzen Mist meines Lebens vergessen. Selbst, wenn es nur für einige Meilen war, es lohnte sich. Außerdem liebte ich den Geruch von Benzin am Morgen.
Heute war wieder einer dieser Tage, an denen ich mitfahren musste, um einen Auftrag zu erledigen. Ehrlich gesagt kannte ich mich mit Autos nicht so gut aus. Ich kannte die Marken und wusste, wie man fährt. Aber die Technik überließ ich den Jungs. Sasha, ein Mitarbeiter von meinem Stiefvater, nahm mich mit. Wir hatten eine vierstündige Autofahrt vor uns…
Es war vier Uhr am Nachmittag, als ich die Werkstatt betrat und Sasha begrüßte. Sasha hatte kurze, hellbraune Haare und grüne Augen. Jedes Mal, wenn ich ihn sah, hatte er Motoröl im Gesicht. Ein typischer Auto-Narr und perfekt für diesen Job. „Ich würde sagen, ich fahre hin. Einverstanden?“, schlug Sasha vor und schloss die Werkstatt ab. Ich nickte und steuerte den BMW an, mit dem wir dorthin fuhren. „Ich bin ready!“, hörte ich eine bekannte Stimme ausrufen. Ich drehte mich um und sah, wie Nemanja um die Ecke bog und auf uns zukam. Freudig grinste ich den alten Bekannten an. Damals, als ich für sechs Wochen in Serbien war, hatte ich den Nachbar-Jungen kennen gelernt. Er studierte dort und zu meinem Glück auch Deutsch. Er schien noch gebräunter zu sein, als ich ihn in Erinnerung hatte. Seine dunklen Haare waren etwas länger und wuschelig. „Was machst du denn hier?“, fragte ich erstaunt. „Dein Stiefvater hat mich um Hilfe gebeten. Wir müssen zwei Autos abholen“, erklärte er.
Wir holten die Autos ab und fuhren in der Nacht zurück. Die Autobahn gehörte uns. Ich konnte nicht fassen, dass ich in einem teuren Mercedes saß und fahren durfte. So machte Auto fahren wirklich Spaß! Damit uns drei nicht langweilig wurde, unterhielten wir uns mit einer Freisprechanlage. Sasha fuhr vor uns, ich in der Mitte und Nemanja hinter mir. Die Dunkelheit machte uns nichts aus. Ich bemühte mich nur, nicht allzu müde zu werden. „Na ist schon ein Unterschied mit einem Mercedes zu fahren, ne?“, fragte Sasha durch die Anlage. Man hörte sogar das Grinsen, welches er bestimmt im Gesicht hatte. Ich lachte kurz. „Hey, klar ist das geil aber sag nichts gegen mein Auto!“, warnte ich ihn spielerisch. „In Deutschland habt ihr echt super Autos“, stellte Nemanja begeistert fest. Er schaltete die Lichthupe hinter mir ein, um seine Aussage zu bekräftigen. „Hey, Jungs? Kann ich mal kurz durchziehen?“, fragte ich und zog nach links, ohne auf eine Antwort zu warten. „Wer hat denn da die Formation verlassen?“, wollte Nemanja lachend wissen. „Klar, aber höchstens 5 Kilometer, dann bremst du ab“, sagte Sasha. Grinsend trat ich auf das Gaspedal und staunte nicht schlecht, wie schnell dieser Wagen beschleunigte. Die Geschwindigkeit drückte mich etwas in den Sitz und genauso mochte ich es. Mein Auto würde bei so einer Tacho-Zahl vermutlich auseinander fallen, deshalb genoss ich es. Doch weit kam ich nicht. Eine dichte Nebelwand breitete sich über der Autobahn aus und ich bremste schon nach wenigen Kilometern ab. „Jungs, der Nebel ist heftig“, warnte ich die Beiden hinter mir. Sasha überholte mich und ich ordnete mich hinter ihm ein. „Scheiße, man sieht ja gar nichts mehr“, bemerkte Nemanja erstaunt. „Bleibt hinter mir und orientiert euch an den Seitenlinien“, hörte ich Sasha sagen. „Aber verdammt…selbst das ist schwer!“ Ich erkannte, was er meinte. Vor der Windschutzscheibe sah man nur noch weiße Wolken. Sogar die Seitenstreifen konnte man kaum erkennen. Die Rücklichter von Sashas Wagen konnte ich auch kaum erkennen. Wir bremsten stark ab und fuhren langsam weiter. „So können wir drei Tage fahren, wenn es so weiter geht“, meldete sich Nemanja zu Wort. „Hier in der Nähe ist eine Raststätte. Wir machen da Pause, bis der Nebel weg ist“, wies Sasha uns an.
Wir setzten uns in ein Bistro neben einer Tankstelle und warteten. Dabei tranken wir Kaffee, sprachen über die alte Zeit in Serbien und lachten viel. Obwohl die Sonne bald schon aufging, war ich nicht müde. So ein Road-Trip machte richtig Spaß! Wir saßen an einem Tisch und beobachteten das ein oder andere Auto, welches auf der Autobahn auftauchte und an uns vorbei raste. „Für ein Mädchen fährst du ziemlich gut“, gestand Nemanja und zwinkerte mir zu. Ich streckte ihm die Zunge raus. „Das Kompliment kann ich nur zurück geben“, konterte ich danach. Er stieß mich spielerisch gegen die Schulter. Irgendwann fuhren wir dann weiter. Der Nebel hatte sich gelichtet und es waren jetzt mehrere Autos auf den Straßen. Hinter den Bäumen, am Rand der Autobahn, konnte man sehen, wie die Sonne langsam aufging. Ein rötliches Licht erhellte den Himmel. „Seht euch den Himmel an“, hauchte ich erstaunt in die Freisprechanlage. „Wunderschön“, bestätigte Nemanja. Er fuhr immer noch hinter mir und Sasha vor mir. Sasha kannte nun einmal den Weg, deshalb dachte keiner von uns daran zu überholen und alleine weiter zu fahren. „Konzentriert euch auf die Straße, Mädels“, scherzte Sasha und lachte. „Sehr lustig, Mann“, meinte Nemanja genervt. So fuhren wir weiter. Es gab nur uns und die Straße. Das Geräusch des Motors beruhigte mich immer mehr. Wenn ich Auto fuhr, konnte ich den ganzen Mist meines Lebens vergessen. Selbst, wenn es nur für einige Meilen war, es lohnte sich. Außerdem liebte ich den Geruch von Benzin am Morgen.
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