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Sonntag, 10. Juli 2016
Blutmond
moonlight13, 17:41h
Wir fuhren schon seit 15 Minuten durch diesen dunklen, dicht bewachsenen Wald. Nervös tippte ich auf das Lenkrad, denn das gefiel mir ganz und gar nicht. Ich verdrehte meine Augen und warf einen Blick auf Dana, die neben mir auf dem Beifahrersitz saß. Sie schaute abwechselnd auf ihr Handy und die Landschaft. Ihre naturroten Locken fielen ihr dabei ins Gesicht. „Laut dem Navi sind wir gleich da“, berichtete sie aufgeregt. Ich seufzte und sah auf die Uhr im Display des Autoradios. Es war gleich schon Mitternacht. „Vielleicht hätten wir die Jungs mitnehmen sollen“, dachte ich laut nach. Dana warf ihre Haare dramatisch zurück. „Ja? Wen denn? Eric? Mit dem läuft es ja seit letzter Zeit auch so gut!“, sagte sie sarkastisch und biss sich danach direkt auf die Unterlippe. Anscheinend hatte sie meinen verletzten Blick bemerkt. „Tut mir leid.“ Ich versuchte an etwas Schönes zu denken, damit ich nicht sofort in Tränen ausbrach. Rosa Einhörner. „Schon gut“, meinte ich schließlich und konzentrierte mich dann wieder auf die leere Straße vor uns. (…)
Nach einigen Minuten hielten wir neben dem Wald, denn wir hatten unser Ziel erreicht. Dana hatte ein sogenanntes „Geisterschloss“ ausfindig gemacht und wollte es erforschen. Angeblich sollten Sekten dort ihr Unwesen treiben. Natürlich war Dana sofort davon angetan gewesen und hatte mich am Ende überredet, sie dorthin zu fahren. Wir stiegen aus dem Auto und öffneten den Kofferraum, um unsere Rucksäcke heraus zu holen. Entschlossen zogen wir sie auf unsere Schultern und schalteten unsere Taschenlampen ein. Ohne diese Lampen hätte man wirklich nichts gesehen. Selbst die eigene Hand vorm Gesicht nicht. Während ich das Auto abschloss, leuchtete Dana auf die große Mauer, die uns von dem Schloss trennte. Langsam ahnte ich, dass wir rüber klettern mussten. (…)
Ein Baum neben der Mauer erleichterte es uns, rüber zu kommen. Als wir endlich auf der anderen Seite waren, konnten wir es sehen. Ein riesiges, verlassenes Schloss, mitten im Wald. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir das tun sollten“, bemerkte ich unsicher und blieb stehen. Dana drehte sich zu mir und lächelte. „Komm schon, das ist total cool! Es kann nichts passieren“, versicherte sie mir zuversichtlich. Mit langsamen Schritten gingen wir weiter. Bei jedem Geräusch zuckten wir zusammen. „Ich habe im Internet gelesen, dass das Gebäude Einsturz-gefährdet ist. Nur mal so am Rande“, erwähnte ich. Doch nichts konnte Dana aufhalten, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Kurz vor dem Eingang des Schlosses blieben wir stehen, denn auf der Wiese vor uns war etwas zu sehen. Es war ein schwarzer Kreis mit einem Symbol innen drin. Als hätte jemand mit Asche auf der Wiese herum gemalt. Vielleicht stimmte das Gerücht mit der Sekte. Ich leuchtete auf das Symbol und bekam sofort Gänsehaut. Dana ging weiter und kletterte durch ein kaputtes Fenster in das Gebäude. Danach sah sie auffordernd zu mir. Ängstlich näherte ich mich dem Fenster, bis wir Geräusche hörten. Es waren Schritte, mehrere. Sie kamen auf uns zu.
Wir sahen in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Automatisch wanderte mein Blick in den Nachthimmel. Der Mond war groß und…rot. „Blutmond“, flüsterte ich Dana zu. „Wir gehen an diesen Sekten-Ort ausgerechnet in einer Blutmond Nacht?!“ Panisch kletterte Dana wieder ins freie und wir rannten los. Gestalten wurden sichtbar, die das Schloss ansteuerten. Wir konnten nicht mehr weglaufen, denn das würde auffallen. Also versteckten wir uns hinter einem großen Busch. Ich kniete mich nieder und zog Dana zu mir. Meine Hand legte sich auf ihren Mund, weil sie so laut und panisch atmete. Das hatte sie jetzt von dieser Aktion! Wir saßen fest!
Neugierig lehnte ich mich nach rechts, um die Personen sehen zu können. Es waren neun Männer, komplett in Schwarz gekleidet. Sie versammelten sich um den Aschekreis. Verrückt, genauso hatte ich mir diese Sekte vorgestellt. Einer der Männer hatte Holz dabei. Er fummelte in der Mitte des Kreises herum und bald darauf loderte eine Flamme auf. „Was siehst du?“, flüsterte Dana, die sich nicht traute, sich zu bewegen. „Wir stecken in der Scheiße! Das sind Psychos“, antwortete ich leise. Der Mann, der vorher noch in der Mitte gestanden hatte, stellte sich wieder neben die anderen. Ein anderer Mann hielt etwas in seinen Armen. Ich konnte es erst erkennen, als er es über die Flamme hielt. Ein süßes, weißes Kaninchen versuchte sich panisch aus seinem Griff zu retten. Ich atmete scharf ein, bei dem Gedanken, was sie jetzt mit dem Tier tun würden. Ohne zu zögern warf er das Tier in die Flamme. Erschüttert schaute ich Dana an. Mir lief eine Träne über die Wange. „Sie haben ein Kaninchen geopfert“, hauchte ich. Dana riss die Augen weit auf. Plötzlich sprachen die Männer im Chor. Jeder ging einmal zur Flamme, um sich mit einem Messer in die Handfläche zu schneiden, und Blut in die Mitte tropfen zu lassen. Mit was für Menschen saßen wir hier fest? Es war der pure Horror! Entgeistert lehnte ich mich wieder gegen Dana und starrte die Bäume vor uns an. „Wir müssen zu dieser Mauer kommen und ganz schnell die Biege machen“, stellte Dana fest. Wir konnten auch durch den Wald fliehen, allerdings hätten wir uns wahrscheinlich verlaufen. Keine Ahnung, wo wir uns befanden. „Warum passiert sowas immer mir?“, fluchte ich genervt und lehnte meine Stirn gegen die Knie. „Diesmal war es meine Schuld“, entgegnete Dana. Der Sprachchor der verrückten Männer wurde immer lauter. Sie sprachen irgendetwas von einer Jungfrau, die ihnen dienen wird. Total kurios. „Das reicht, wir rennen!“, wies ich Dana an. Die Männer wechselten jetzt die Sprache. Es hörte sich an, wie Latein. „Bist du verrückt?“, fuhr mich Dana an und packte mich am Unterarm, als ich aufstehen wollte. „Wir sind schneller, als diese alten Säcke“, sagte ich entschlossen und zog Dana hoch.
Wir zählten leise bis Drei und preschten los. Die Männer unterbrachen ihre skurrile Zeremonie und starrten uns an. Dana lief vor mir. Wir dachten nicht daran, hinter uns nachzusehen, ob uns jemand verfolgte. Doch plötzlich war es, als würde mich etwas an meinem Fußgelenk festhalten und ich fiel auf die Wiese. Geschockt schaute ich nach hinten. Die Männer standen immer noch im Kreis und starrten mich an. Ich richtete mich auf und rannte weiter. Dana wartete an der Mauer auf mich. Wie von Bienen gestochen, sprangen wir auf die andere Seite und hasteten zu meinem Auto.
Als ich den Motor gestartet hatte, fasste ich mir an den Hals. Dabei bemerkte ich, dass meine Halskette weg war. Diese Kette hatte ich einst von meiner Mutter geschenkt bekommen. Als Anhänger hatte sie einen kleinen Behälter, in dem sich Sand vom Strand aus Serbien befand. „Meine Kette ist weg…ich muss sie dort verloren haben!“, stellte ich fest. Dana löste die Handbremse und zeigte auf die Straße. „Willst du etwa dahin zurück?! Fahr bitte und vergiss die Kette! Sonst opfern die uns auch noch“, bemerkte sie panisch. Sie hatte recht. Dorthin zurück konnten wir auch nicht mehr. Also riss ich mich zusammen und fuhr los. (…)
Während der Autofahrt sprachen wir kaum ein Wort. Zu tief saß der Schock in unseren Knochen. Dana entschuldigte sich mehrere Male, dass wir die Jungs nicht mitgenommen hatten oder dass wir überhaupt dorthin gefahren waren. Ich war nicht sauer auf sie, nur wahnsinnig müde.
Nach einigen Minuten hielten wir neben dem Wald, denn wir hatten unser Ziel erreicht. Dana hatte ein sogenanntes „Geisterschloss“ ausfindig gemacht und wollte es erforschen. Angeblich sollten Sekten dort ihr Unwesen treiben. Natürlich war Dana sofort davon angetan gewesen und hatte mich am Ende überredet, sie dorthin zu fahren. Wir stiegen aus dem Auto und öffneten den Kofferraum, um unsere Rucksäcke heraus zu holen. Entschlossen zogen wir sie auf unsere Schultern und schalteten unsere Taschenlampen ein. Ohne diese Lampen hätte man wirklich nichts gesehen. Selbst die eigene Hand vorm Gesicht nicht. Während ich das Auto abschloss, leuchtete Dana auf die große Mauer, die uns von dem Schloss trennte. Langsam ahnte ich, dass wir rüber klettern mussten. (…)
Ein Baum neben der Mauer erleichterte es uns, rüber zu kommen. Als wir endlich auf der anderen Seite waren, konnten wir es sehen. Ein riesiges, verlassenes Schloss, mitten im Wald. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir das tun sollten“, bemerkte ich unsicher und blieb stehen. Dana drehte sich zu mir und lächelte. „Komm schon, das ist total cool! Es kann nichts passieren“, versicherte sie mir zuversichtlich. Mit langsamen Schritten gingen wir weiter. Bei jedem Geräusch zuckten wir zusammen. „Ich habe im Internet gelesen, dass das Gebäude Einsturz-gefährdet ist. Nur mal so am Rande“, erwähnte ich. Doch nichts konnte Dana aufhalten, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Kurz vor dem Eingang des Schlosses blieben wir stehen, denn auf der Wiese vor uns war etwas zu sehen. Es war ein schwarzer Kreis mit einem Symbol innen drin. Als hätte jemand mit Asche auf der Wiese herum gemalt. Vielleicht stimmte das Gerücht mit der Sekte. Ich leuchtete auf das Symbol und bekam sofort Gänsehaut. Dana ging weiter und kletterte durch ein kaputtes Fenster in das Gebäude. Danach sah sie auffordernd zu mir. Ängstlich näherte ich mich dem Fenster, bis wir Geräusche hörten. Es waren Schritte, mehrere. Sie kamen auf uns zu.
Wir sahen in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Automatisch wanderte mein Blick in den Nachthimmel. Der Mond war groß und…rot. „Blutmond“, flüsterte ich Dana zu. „Wir gehen an diesen Sekten-Ort ausgerechnet in einer Blutmond Nacht?!“ Panisch kletterte Dana wieder ins freie und wir rannten los. Gestalten wurden sichtbar, die das Schloss ansteuerten. Wir konnten nicht mehr weglaufen, denn das würde auffallen. Also versteckten wir uns hinter einem großen Busch. Ich kniete mich nieder und zog Dana zu mir. Meine Hand legte sich auf ihren Mund, weil sie so laut und panisch atmete. Das hatte sie jetzt von dieser Aktion! Wir saßen fest!
Neugierig lehnte ich mich nach rechts, um die Personen sehen zu können. Es waren neun Männer, komplett in Schwarz gekleidet. Sie versammelten sich um den Aschekreis. Verrückt, genauso hatte ich mir diese Sekte vorgestellt. Einer der Männer hatte Holz dabei. Er fummelte in der Mitte des Kreises herum und bald darauf loderte eine Flamme auf. „Was siehst du?“, flüsterte Dana, die sich nicht traute, sich zu bewegen. „Wir stecken in der Scheiße! Das sind Psychos“, antwortete ich leise. Der Mann, der vorher noch in der Mitte gestanden hatte, stellte sich wieder neben die anderen. Ein anderer Mann hielt etwas in seinen Armen. Ich konnte es erst erkennen, als er es über die Flamme hielt. Ein süßes, weißes Kaninchen versuchte sich panisch aus seinem Griff zu retten. Ich atmete scharf ein, bei dem Gedanken, was sie jetzt mit dem Tier tun würden. Ohne zu zögern warf er das Tier in die Flamme. Erschüttert schaute ich Dana an. Mir lief eine Träne über die Wange. „Sie haben ein Kaninchen geopfert“, hauchte ich. Dana riss die Augen weit auf. Plötzlich sprachen die Männer im Chor. Jeder ging einmal zur Flamme, um sich mit einem Messer in die Handfläche zu schneiden, und Blut in die Mitte tropfen zu lassen. Mit was für Menschen saßen wir hier fest? Es war der pure Horror! Entgeistert lehnte ich mich wieder gegen Dana und starrte die Bäume vor uns an. „Wir müssen zu dieser Mauer kommen und ganz schnell die Biege machen“, stellte Dana fest. Wir konnten auch durch den Wald fliehen, allerdings hätten wir uns wahrscheinlich verlaufen. Keine Ahnung, wo wir uns befanden. „Warum passiert sowas immer mir?“, fluchte ich genervt und lehnte meine Stirn gegen die Knie. „Diesmal war es meine Schuld“, entgegnete Dana. Der Sprachchor der verrückten Männer wurde immer lauter. Sie sprachen irgendetwas von einer Jungfrau, die ihnen dienen wird. Total kurios. „Das reicht, wir rennen!“, wies ich Dana an. Die Männer wechselten jetzt die Sprache. Es hörte sich an, wie Latein. „Bist du verrückt?“, fuhr mich Dana an und packte mich am Unterarm, als ich aufstehen wollte. „Wir sind schneller, als diese alten Säcke“, sagte ich entschlossen und zog Dana hoch.
Wir zählten leise bis Drei und preschten los. Die Männer unterbrachen ihre skurrile Zeremonie und starrten uns an. Dana lief vor mir. Wir dachten nicht daran, hinter uns nachzusehen, ob uns jemand verfolgte. Doch plötzlich war es, als würde mich etwas an meinem Fußgelenk festhalten und ich fiel auf die Wiese. Geschockt schaute ich nach hinten. Die Männer standen immer noch im Kreis und starrten mich an. Ich richtete mich auf und rannte weiter. Dana wartete an der Mauer auf mich. Wie von Bienen gestochen, sprangen wir auf die andere Seite und hasteten zu meinem Auto.
Als ich den Motor gestartet hatte, fasste ich mir an den Hals. Dabei bemerkte ich, dass meine Halskette weg war. Diese Kette hatte ich einst von meiner Mutter geschenkt bekommen. Als Anhänger hatte sie einen kleinen Behälter, in dem sich Sand vom Strand aus Serbien befand. „Meine Kette ist weg…ich muss sie dort verloren haben!“, stellte ich fest. Dana löste die Handbremse und zeigte auf die Straße. „Willst du etwa dahin zurück?! Fahr bitte und vergiss die Kette! Sonst opfern die uns auch noch“, bemerkte sie panisch. Sie hatte recht. Dorthin zurück konnten wir auch nicht mehr. Also riss ich mich zusammen und fuhr los. (…)
Während der Autofahrt sprachen wir kaum ein Wort. Zu tief saß der Schock in unseren Knochen. Dana entschuldigte sich mehrere Male, dass wir die Jungs nicht mitgenommen hatten oder dass wir überhaupt dorthin gefahren waren. Ich war nicht sauer auf sie, nur wahnsinnig müde.
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Rausch
moonlight13, 16:39h
Die Jugend ist sehr gefährlich, denn grade in dieser Zeit begehen Menschen viele Fehler. Ist ein Jugendlicher auch noch auf sich allein gestellt, kann es sein, dass dieser vollkommen den Bezug zur Realität verliert. Ich habe diesen Bezug auch verloren…und es hat lange gedauert, bis ich wieder ich selbst war. (…)
Es war späte Nacht, mitten in der Woche. Normalerweise hätte ich schon längst zu Hause sein sollen. Doch mein Rausch beherrschte mich. Meine „neue Familie“, so wie ich sie nannte, war nun der Mittelpunkt meines Lebens. Wozu noch zur Schule gehen? Wozu nach Hause gehen, wenn dort sowieso keine Eltern auf mich warten? Betrunken schwankte ich in das Badezimmer meiner Freundin Anna. Sie besaß ein großes Haus, indem wir eine riesen Party schmissen. Ich schloss die Badezimmertüre und lehnte mich mit den Händen gegen das Waschbecken. Im Spiegel nahm ich mich nur noch verschwommen war. Die Welt um mich herum schien sich langsamer zu drehen, als sonst. Benommen drehte ich am Wasserhahn und zuckte zusammen, als das kühle Wasser über meine Handgelenke lief. Die Badezimmertüre öffnete sich wieder, während ich meine roten, kurzen Haare nach hinten strich. Anna lehnte sich gegen den Türrahmen und grinste mich an. Sie hatte blondes, langes Haar und blau-graue Augen. Ihre Hosen waren sehr eng und kurz. Auch ihr Top ließ nicht viel Spielraum für die Fantasie. „Kannst du nicht mehr?“, fragte sie mich mehr belustigt, als besorgt. Ich taumelte etwas nach hinten und zuckte mit den Achseln. Niemals wollte ich zugeben, dass ich jetzt schon schlapp machte. Einmal im Leben wollte ich dazu gehören. „Ich hab hier was“, sagte Anna und schloss die Türe hinter sich. Sie kramte in ihrer Hosentasche und hielt mir eine blaue Tablette hin. Misstrauisch starrte ich auf diese Droge. „Das ist normal. Du wirst Erwachsen“, lallte Anna auffordernd. Eine Stimme in mir schrie, ich solle wegrennen und nie mehr in dieses Haus kommen. Doch sie konnte mich nicht mehr aufhalten. Wie ferngesteuert nahm ich die Pille und schluckte sie runter. Filmriss (…)
Was danach kam, waren nur noch verschwommene Bilder. Meine Möchtegern-Familie und ich setzten uns in den großen Garten auf die Wiese. Viele von den Jungs begannen verschiedene Dinge zu rauchen. Meine Welt drehte sich wieder schneller, zu schnell. Henry kniete sich neben mich und hielt mir eine Thermoskanne hin. „Was´n das? Tee?“, wollte ich wissen. Er nickte, nahm den Deckel ab und füllte die warme Flüssigkeit hinein. Anschließend reichte er mir den Deckel, der offenbar auch als Tasse gut zu gebrauchen war. Egal, wie benebelt ich war, ich wusste, dass Henry mir keinen normalen Tee geben würde. „Kamille?“, scherzte ich und schaute skeptisch auf den Tee. Er fing an zu lachen und schüttelte den Kopf. „Pilze.“ Mir wurde schlecht. Allein das Wort drehte meinen Magen um. „Hör zu, wir schlafen heute alle hier. Wir können uns also später ein Bett teilen“, schlug Henry vor und rückte näher an mich. Meine Alarmglocken meldeten sich endlich, weshalb ich weg rutschte. Doch er ließ nicht nach, und rückte immer näher. Ich stieß ihn leicht weg, dabei goss ich mir den heißen Tee auf meine nackten Oberschenkel, denn ich trug eine kurze Hose. Kreischend sprang ich auf. Ich tat das, was ich schon den ganzen Abend hätte tun sollen. Wackelig aber entschlossen, lief ich los. (…)
Je länger ich lief, desto mehr kam ich zu Bewusstsein. Meine Füße trugen mich durch die engen Straßen der Stadt. Die Nacht schien noch dunkler und kälter zu sein, als normalerweise. Kurz nach dem Marktplatz fiel ich auf den steinigen Boden. Schmerzerfüllt drehte ich mich auf den Rücken. Tränen brannten in meinen Augen, die schon so viel gesehen hatten, dass sie am liebsten die Bilder wegspülen wollten. Mein verschleierter Blick fiel auf das Gebäude neben mir. Die Kirche. Erschöpft rappelte ich mich wieder auf und ging auf den Eingang zu. Natürlich war dieser abgeschlossen, weshalb ich mich auf die breiten Treppen davor setzte. Wo sollte ich hin? Mit wem sollte ich sprechen? Eine Person kam auf mich zu, die ich erst erkannte, als sie an einer Straßenlaterne vorbei lief. „Da bist du ja!“, rief Anna aus und setzte sich neben mich. Sie sah sich um und bemerkte die Kirche, vor der wir saßen. „Willst du jetzt schon beichten gehen?“, fragte sie sarkastisch. „Wir versinken immer tiefer in diesem Trott“, stellte ich verzweifelt fest. Anna war in ihrem Rausch und schon so weg, dass sie nur die Hälfte von meinen Worten wahrnahm. Man erkannte es an ihrem leeren Blick. „Wir haben doch nur Spaß“, kommentierte sie meine Sorge. „Wovor hast du Angst? Vor deiner Familie? Bedenke, was sie dir angetan haben! Was alle dir angetan haben!“ In dem Moment schlenderte Henry zu uns und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Anscheinend hatte Anna ihm geschrieben, wo wir waren. Woher sonst sollten alle wissen, wo ich mich befand? „Komm, das grade war nicht so gemeint. Lass uns einen Tee trinken gehen“, schlug er vor. Anna nahm meine Hand und zog mich von der Kirche fort. Sie zog mich von mir selbst fort.
Es war späte Nacht, mitten in der Woche. Normalerweise hätte ich schon längst zu Hause sein sollen. Doch mein Rausch beherrschte mich. Meine „neue Familie“, so wie ich sie nannte, war nun der Mittelpunkt meines Lebens. Wozu noch zur Schule gehen? Wozu nach Hause gehen, wenn dort sowieso keine Eltern auf mich warten? Betrunken schwankte ich in das Badezimmer meiner Freundin Anna. Sie besaß ein großes Haus, indem wir eine riesen Party schmissen. Ich schloss die Badezimmertüre und lehnte mich mit den Händen gegen das Waschbecken. Im Spiegel nahm ich mich nur noch verschwommen war. Die Welt um mich herum schien sich langsamer zu drehen, als sonst. Benommen drehte ich am Wasserhahn und zuckte zusammen, als das kühle Wasser über meine Handgelenke lief. Die Badezimmertüre öffnete sich wieder, während ich meine roten, kurzen Haare nach hinten strich. Anna lehnte sich gegen den Türrahmen und grinste mich an. Sie hatte blondes, langes Haar und blau-graue Augen. Ihre Hosen waren sehr eng und kurz. Auch ihr Top ließ nicht viel Spielraum für die Fantasie. „Kannst du nicht mehr?“, fragte sie mich mehr belustigt, als besorgt. Ich taumelte etwas nach hinten und zuckte mit den Achseln. Niemals wollte ich zugeben, dass ich jetzt schon schlapp machte. Einmal im Leben wollte ich dazu gehören. „Ich hab hier was“, sagte Anna und schloss die Türe hinter sich. Sie kramte in ihrer Hosentasche und hielt mir eine blaue Tablette hin. Misstrauisch starrte ich auf diese Droge. „Das ist normal. Du wirst Erwachsen“, lallte Anna auffordernd. Eine Stimme in mir schrie, ich solle wegrennen und nie mehr in dieses Haus kommen. Doch sie konnte mich nicht mehr aufhalten. Wie ferngesteuert nahm ich die Pille und schluckte sie runter. Filmriss (…)
Was danach kam, waren nur noch verschwommene Bilder. Meine Möchtegern-Familie und ich setzten uns in den großen Garten auf die Wiese. Viele von den Jungs begannen verschiedene Dinge zu rauchen. Meine Welt drehte sich wieder schneller, zu schnell. Henry kniete sich neben mich und hielt mir eine Thermoskanne hin. „Was´n das? Tee?“, wollte ich wissen. Er nickte, nahm den Deckel ab und füllte die warme Flüssigkeit hinein. Anschließend reichte er mir den Deckel, der offenbar auch als Tasse gut zu gebrauchen war. Egal, wie benebelt ich war, ich wusste, dass Henry mir keinen normalen Tee geben würde. „Kamille?“, scherzte ich und schaute skeptisch auf den Tee. Er fing an zu lachen und schüttelte den Kopf. „Pilze.“ Mir wurde schlecht. Allein das Wort drehte meinen Magen um. „Hör zu, wir schlafen heute alle hier. Wir können uns also später ein Bett teilen“, schlug Henry vor und rückte näher an mich. Meine Alarmglocken meldeten sich endlich, weshalb ich weg rutschte. Doch er ließ nicht nach, und rückte immer näher. Ich stieß ihn leicht weg, dabei goss ich mir den heißen Tee auf meine nackten Oberschenkel, denn ich trug eine kurze Hose. Kreischend sprang ich auf. Ich tat das, was ich schon den ganzen Abend hätte tun sollen. Wackelig aber entschlossen, lief ich los. (…)
Je länger ich lief, desto mehr kam ich zu Bewusstsein. Meine Füße trugen mich durch die engen Straßen der Stadt. Die Nacht schien noch dunkler und kälter zu sein, als normalerweise. Kurz nach dem Marktplatz fiel ich auf den steinigen Boden. Schmerzerfüllt drehte ich mich auf den Rücken. Tränen brannten in meinen Augen, die schon so viel gesehen hatten, dass sie am liebsten die Bilder wegspülen wollten. Mein verschleierter Blick fiel auf das Gebäude neben mir. Die Kirche. Erschöpft rappelte ich mich wieder auf und ging auf den Eingang zu. Natürlich war dieser abgeschlossen, weshalb ich mich auf die breiten Treppen davor setzte. Wo sollte ich hin? Mit wem sollte ich sprechen? Eine Person kam auf mich zu, die ich erst erkannte, als sie an einer Straßenlaterne vorbei lief. „Da bist du ja!“, rief Anna aus und setzte sich neben mich. Sie sah sich um und bemerkte die Kirche, vor der wir saßen. „Willst du jetzt schon beichten gehen?“, fragte sie sarkastisch. „Wir versinken immer tiefer in diesem Trott“, stellte ich verzweifelt fest. Anna war in ihrem Rausch und schon so weg, dass sie nur die Hälfte von meinen Worten wahrnahm. Man erkannte es an ihrem leeren Blick. „Wir haben doch nur Spaß“, kommentierte sie meine Sorge. „Wovor hast du Angst? Vor deiner Familie? Bedenke, was sie dir angetan haben! Was alle dir angetan haben!“ In dem Moment schlenderte Henry zu uns und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Anscheinend hatte Anna ihm geschrieben, wo wir waren. Woher sonst sollten alle wissen, wo ich mich befand? „Komm, das grade war nicht so gemeint. Lass uns einen Tee trinken gehen“, schlug er vor. Anna nahm meine Hand und zog mich von der Kirche fort. Sie zog mich von mir selbst fort.
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